Der Mann, der niemals kam
Ausnahmslos vielversprechend und inspirierend habe ich bisher meine Dates in Erinnerung behalten. Manche haben mich nachdenklich gestimmt, andere haben einen intimeren Weg gefunden. Tatsächlich treffe ich mich mit einzelnen Männern wieder, sei es für eine nächste Verabredung oder einfach nur so. Im Prinzip ist alles möglich, wenn man eine gewisse Anziehung verspürt. Wie oft habe ich mich für eine zweite Begegnung entschieden, weil es da letztendlich noch mehr zu entdecken gibt. Aber das ist eine andere Geschichte.
All diese Begegnungen müssen verarbeitet werden, also treffe ich meine Freundin Isabelle. Isabelle erzähle ich alles. Sie ist so eine neugierige, offene Person und ich bin froh Freunde wie diese an meiner Seite zu wissen, mit denen ich meine tiefsten Gedanken teilen kann. Menschen, die über den Tellerrand hinausschauen, die verstehen, wer du bist, was du magst, ohne zu hinterfragen. Leute, denen du alles erzählen kannst, ganz ungehemmt, mit einer gewissen Selbstverständlichkeit; wahre Freunde eben!
Isabelle hat schon die Welt bereist. Sie versteht das Leben als Ganzes und besitzt eine spirituelle Ader, die ich sehr anziehend finde; zierlich von der optischen Erscheinung, aber immer hellwach, stark und unerschütterlich. Ihre großen, blauen Augen unterstreichen ihre Aufgeschlossenheit den Menschen gegenüber. Mit Akzeptanz und Empathie öffnet sie ihre Arme für diejenigen, die das Herz am rechten Fleck tragen. Ihre Haltung gleicht der einer Tänzerin, grazil, aufrecht, stolz. Isabelle erkennt man schon von Weitem, und wenn ich sie einem Tier zuordnen würde, käme für mich eine Mischung aus verschiedenen Vogelarten in den Sinn: elegant-schwebend wie ein Schwan, bunt und fröhlich wie ein Stieglitz, aber auch frech und flink wie der Berliner Spatz.
Oft schwärmte ich von meinen Erfahrungen, den absurden Geschichten und den bleibenden Erinnerungen, sodass Isabelle auch einmal in den Genuss kommen wollte und Paid Dates testete. Ihre ersten Verabredungen liefen super, sie war total begeistert und entschied sich schnell für diese neue Möglichkeit Männer zu treffen im großstädtischen Dating-Dschungel. Seitdem teilen wir unsere gemeinsamen Abenteuer fast täglich bei Wein und Zigaretten.
An einem Dienstagnachmittag war ich gerade bei einem Rendezvous, mit einem Mann, der mich wirklich umgehauen hat. Wir waren komplett auf einer Wellenlänge und hatten den Tag zu unserem gemacht. Es war heiß, wir tranken Aperol Spritz, rauchten Parisienne und duschten gemeinsam in seinem Appartement. Da gab es so eine Verbindung, die keine Worte braucht. Mit Musik von Nick Drake fielen wir mehrmals übereinander her.
»Johnny«: ein unkomplizierter Typ, etwas jünger als ich, witzig, authentisch. Er geht mir seit dieser Begegnung nicht mehr aus dem Kopf und ich werde ihn wieder treffen, aber auch das ist eine andere Geschichte.
Isabelle hatte ebenso wie ich eine Verabredung an diesem Tag. Eigentlich! Denn wie sich bei diesem Date herausstellte, sollte es am Ende nie stattfinden. Wir schrieben parallel und gerade am Anfang wollte sich meine Freundin bei mir absichern und erzählte mir, wen sie traf, wenn sie im Taxi saß und wie sie sich dabei fühlte. Sie schickte mir ein Bild von der Person und manchmal auch Textinhalte. Dieser Mann hatte genaue Vorstellungen von seiner ersten Begegnung. Er wünschte sich ein Cocktailkleid und High Heels. Die Verabredung stand und die Bar, an der sie sich sehen würden, hatte geschlossen. Das Taxi war bereits bezahlt, natürlich von meiner Freundin, niemand kam.
Auch ich habe schon einmal so eine enttäuschende Erfahrung erlebt. Vorab telefonierte ich sogar mit meinem Date, der sich mit mir in der Lobby eines Berliner Hotels verabredete. Dabei beschrieb er ganz genau das spektakuläre Interieurdesign sowie die Farben der Möbelstücke. »In der Lobby gibt es so schöne blaue Sitzgelegenheiten«, meinte er und auch generell wird mich das Design eingehüllt in Blau vom Hocker hauen. Als ich im Hotel ankam, gab es da keine blauen Möbelstücke und auch mein Date war nicht mehr erreichbar.
Ich denke, solche Erfahrungen gehören bei unverbindlichen Verabredungen einfach dazu und jeder hat sie wahrscheinlich schon einmal erlebt. Ich bin immer dafür Nummern zu tauschen, um alles noch einmal abzusegnen, aber selbst dann ist man nicht 100% sicher.
Überraschenderweise hatte ich denselben Typ meiner sitzengelassenen Freundin wenige Tage später selbst im Chat. Als er mir ein Bild schickte und seine genauen Vorstellungen vom Wunschoutfit schilderte, war er enttarnt. Ich hatte ihn direkt vor Augen und konnte ihm, zumindest im Chat meine Meinung sagen. Dass ich genau weiß, wer er ist und das er niemals kommen würde zu einer Verabredung, die er sich so schön ausgemalt hat: wie unglaublich mies eine Frau so auszuliefern und stehen zu lassen. Seitdem habe ich ihn nie wieder bei Ohlala entdeckt. Wer weiß, wie oft Frauen sich schon an einem öffentlichen Ort mit ihm verabredet haben.
»Die Bar war geschlossen und Er nie gesehen!«