Mehr als nur schön
Ein neues Jahr und meine Gedanken kreisen um vergangene Erinnerungen. Erinnerungen an vergangene Begegnungen, die mein Selbstbild als attraktive Frau infrage stellen, was auch immer attraktiv heißen mag. Ich befinde mich seit Weihnachten in einem Zustand der Dauerreflektion und gehe mit mir oft viel zu hart ins Gericht. Ich weiß das und versuche meine ständigen Zweifel an der Oberfläche plätschern zu lassen, denn das sind sie nun mal, oberflächliche Erscheinungen, die unsere Wahrnehmung als Frau jeher prägen und auch zukünftig immer noch wichtiger dargestellt werden als Scharfsinn und Leistung, zumindest ist das mein Eindruck. Neulich sah ich den Film »Suffragette«, in dem Frauen um ihr Wahlrecht kämpften, da sie Anfang des 20. Jahrhunderts nicht viel zu sagen hatten und ich hielt kurz inne. Keine Frage, dass wir aus feministischer Sicht heutzutage viel erreicht haben und keine Frage, dass Selbstliebe oder die Macht der Body Positivity dafür sorgt, dass wir alle Arten von Körpern als großartig empfinden und das jede Form ihre ganz eigene Berechtigung hat, ohne einem Trend zu verfallen. Ich weiß das aus eigener Quelle, denn auch ich nutze meine Fotografie für die Darstellung der wunderbaren Vielfalt von allen Gesichtern und allen Körpern. Ich kann in jedem etwas Schönes erkennen, nur mein eigenes Wesen wird ganz bewusst bemängelt. Warum? Weil mein ästhetisches Wahrnehmungsempfinden unabhängig von meiner Charakterstärke im Vordergrund steht. Und auch ich warte wie so viele andere darauf endlich zu erkennen und sagen zu können: »Das bin ich und ich bin schön«.
Ich möchte mich mit diesem Artikel und dem Trendthema Body Positivity kritisch auseinandersetzen, da ich finde, dass wir uns immer noch im Kreis drehen, selbst wenn wir über Kurven genauso sprechen, wie über Skinny Skins, oder Cellulitis anstelle photogeshopter Beine zu sehen bekommen. Es bleibt wie gehabt, der Körper und das äußere Erscheinungsbild der Frau steht im Vordergrund und sagt nichts über ihr Inneres aus.
Definition Body Positivity
Übersetzt aus dem Englischen »Körperliche Positivität« ist eine soziale Bewegung, die in dem Glauben verwurzelt ist, dass alle Menschen ein positives Körperbild haben und ihren eigenen Körper sowie die Körper anderer akzeptieren sollten.
Warum ist der Anspruch attraktiv zu sein bei Frauen so groß und bei Männern im Prinzip irrelevant? Zumindest stehen bei dem männlichen Geschlecht andere Eigenschaften wie Humor, Ausstrahlung, Charisma, Intelligenz im Vordergrund, das ist eine Tatsache. Denn warum gibt es denn eigentlich keine Körper-Positive-Bewegung für Männer? Weil sie als mehr wahrgenommen werden als nur ein Körper. Und wir Frauen werden damit täglich konfrontiert, wie schön Frau zu sein hat, sei es durch Werbung, Filme oder die eigenen Social Media Kanäle, die wir täglich nutzen. Ständig werden wir mit Schönheit konfrontiert, die durch geklickte Likes ihre Daseinsberechtigung von ansehnlich oder nicht, manifestiert. Kein Wunder, dass halb nackte Selfies aufregender sind, als zugeknöpfte Selbstdarstellungen oder mystische Blicke verführerischer wirken, als ein lächelndes Porträt. Wir machen uns zu viele Gedanken, wie wir auf unsere Umwelt wirken, und setzen uns dabei täglich unter Druck, um uns bestmöglich zu präsentieren.
Reisen und Ankommen
Wenn ich etwas durch meine tägliche Yoga Praxis gelernt habe, dann, dass der Körper viel mehr zu bieten hat, als seine äußere Erscheinung. Meine Reise und mein Ankommen verdanke ich der Zuversicht und der Selbstbestimmung, die ich durch Herausforderung und Meditation bekomme. Wenn es mir schlecht geht, gehe ich zum Yoga und es geht mir besser, wenn es mir gut geht, gehe ich zum Yoga und es geht mir noch besser. Meine Achtsamkeit, meine Kreativität, mein Bewusstsein für meine Gedanken und meinen Körper finde ich in mir selbst und ich habe einen Weg gefunden, diese wichtigen Eigenschaften besser in meinen Alltag zu integrieren, ohne wahnsinnig zu werden. Ich glaube, dass jede Frau so ihre ganz eigene Bestätigung bekommt, ohne, dass sie tatsächlich von irgendjemandem ausgesprochen werden muss. Ich offenbare mich mit all meinen Schwächen und Ängsten. Yoga gibt mir die Kraft anzukommen, in diesem Zuhause, meinem Körper, meiner Haut, die ich eigentlich lieben möchte und nicht ständig versuchen sollte etwas zu verändern, um mich wohler zu fühlen. Ich bin noch nicht ganz da, aber ich bin auf dem Weg und teile meine Zweifel mit so vielen anderen Frauen, die genauso reisen, um ihrem persönlichen Ziel von Ankommen näher zu sein.
Gehen wir zurück zum Thema Body Positivity und warum ich diesen Trend zwar generell gut finde, aber den Inhalt nicht ganz teile, wenn es darum geht zu sagen: »Das Frauen alle schön sind.«, aber meinen sollte: »Das wir mehr als nur schön sind.« Nämlich, dass wir unabhängig von unserer äußeren Erscheinung die Welt bereits auf den Kopf gestellt haben, dass wir uns emanzipiert haben und nicht auf Meinungen, die an der Oberfläche plätschern, angewiesen sind, sondern mit unserem Handeln überzeugen. Und dann kommst du mit dem besten Kompliment, was sich eine Frau wünschen kann und sagst:
»Woman, you have such a beautiful mind, all I want to see is your beautiful mind.«
And you might be,
you might be great.