Dominanz und Unterwerfung: BDSM-Beziehungen im Alltag
Keine Welt ist so facettenreich wie die des BDSM. Sexuelle Fantasien können bis zur Schmerzgrenze ausgelebt werden, bringen neue Erkenntnisse und führen Master und Untergebene in der Regel näher zusammen. Aber wie sieht so eine Beziehung eigentlich im Alltag aus? Wie kann man diese Art der Partnerschaft aufrechterhalten, wenn man sich z.B. eine 24-Stunden-Unterwerfung vorstellt? Ein Thema, mit dem ich mich selbst schon einmal auseinandergesetzt habe, eine Praktik, die ich sehr genossen habe. Damals war ich Sexsklave und gab mich dieser Unterwerfung mit Leidenschaft hin, aber war ich in Wirklichkeit nicht doch eher Liebessklave, weil mich die imposante Ausstrahlung des Mannes, dem ich mich unterworfen habe, fasziniert hat, weil er derjenige war, der mich um den Finger wickeln konnte? Fragen, die ich mir im Nachhinein stelle, da ich ansonsten eher balancierte Beziehungen lebe und auch beim Sex gern die Rollen tausche. Dennoch denke ich oft an die Zeit, die mir so viel Lust, aber auch sehr viel Schmerz beschert hat. Wo ist die Grenze, wenn die völlige Hingabe für den dominanten Partner das eigene Leben bestimmt, wenn man sich selbst verliert und eventuell Gefahr läuft, ausgenutzt zu werden? Wenn so eine Beziehung den psychischen Belastungen unterliegt und sich aus einer ersten Begierde echtes Leid entpuppt?
Beginnen wir zunächst mit den Ursprüngen von BDSM, einer geheimnisvollen Praktik, die bei etlichen Frauen für Aufregung sorgt. Denn spätestens beim Lesen der Buchreihe »Fifty Shades of Grey« bekamen wir feuchte Höschen und die Sehnsucht nach dieser Macht, einem Mann, der sich vollkommen auf die weiblichen sexuellen Gelüste konzentriert, sie buchstäblich besitzt, wurde größer, seien wir doch mal ehrlich.
Die Ursprünge von BDSM
»Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism«, lautet die englische, ausgeschriebene Bezeichnung für die Abkürzung »BDSM«. Die Entwicklung des Begriffs BDSM ist vielschichtig. Ursprünglich waren Sadismus und Masochismus reine Fachausdrücke für psychologische Erscheinungen, die als psychische Erkrankung diagnostiziert wurden. Heute wird BDSM akzeptiert, als eine sexuelle Neigung, die einvernehmlich und zur Befriedigung aller Beteiligten ausgeübt wird. Zwischen 5 und 25 Prozent der Deutschen stehen aktiv auf diese sexuelle Praktik, schätzen Psychologen, SM-Fantasien haben jedoch deutlich mehr.
Die Begriffe »Dominance« und »Submission« stammen ebenso aus dem Englischen und bedeuten »Herrschaft« und »Unterwerfung«. Man bezeichnet damit ein ungleiches Machtverhältnis zwischen Partnern, das bewusst angenommen und angestrebt wird, ein sogenannter »Power Exchange« findet statt. Eine psychische Komponente des BDSM, welche nicht nur als Hobby, sondern auch in vielen Partnerschaften ausgelebt wird. Die Variationsbreite der individuellen Ausprägungen ist dabei groß. Speziell psychisch orientierte Praktiken sind z.B. Erziehungsspiele, bei denen bestimmte Verhaltensweisen abverlangt werden. Der dominante Partner demonstriert die Unterwerfung seiner devoten Partnerin meist durch verschiedene Symbole, wie ein Halsband oder einer Tätowierung. Vereinzelt wird in längeren Beziehungen das Machtverhältnis sogar in sogenannten »Sklavenverträgen« schriftlich fixiert.
Sub-Dom-Ebene versus Beziehungsebene
Um eine BDSM-Beziehung aufrechtzuerhalten, gliedert man diese in 2 Ebenen: die Sub-Dom-Ebene und die Beziehungsebene. In der Sub-Dom-Ebene unterliegt der eine Partner komplett dem Anderen und hat zu gehorchen. In der Beziehungsebene allerdings werden Aufgaben geteilt, so wie in einer normalen Partnerschaft. Im besten Fall gibt man sich Zeichen oder vereinbart Codes, um die Ebenen nicht zu vermischen oder durcheinander zu kommen. Paare die jahrelang in einer BDSM-Beziehung leben, haben ihren gemeinsamen Rhythmus gefunden. Bei einer 24/7-BDSM-Beziehung ist das Machtgefälle im Prinzip dauerhaft vorhanden, wird aber nicht permanent so ausgelebt. Hierfür müssen Verträge abgeschlossen werden, klare Regeln genannt und ausgeübt werden. Der unterwürfige Partner vertraut sich dem dominanten Partner an und begibt sich auch im alltäglichen Leben ganz oder überwiegend in dessen Verantwortung. So können beispielsweise Machtspiele auch außerhalb des Beisammenseins stattfinden, durch Nachrichten beziehungsweise Fotos per SMS.
Gleichberechtigung trotz Dominanz funktioniert nur, wenn eine offene Kommunikation stattfindet. Wenn man seinen Partner kennt und sich ihm blind anvertraut, können solche Beziehungen an besonderer Tiefe und Wertschätzung gewinnen. Durch das Definieren persönlicher Grenzen, Tabus, Interessen sowie inniger Wünsche, wird der eigene sowie des Partners sexuelle Horizont erweitert.
Psyche und BDSM
Aber was passiert mit dem Seelenleben bei neuen BDSM-Begegnungen? Wenn man den Partner noch nicht so gut kennt und sich auf dieses Spiel einlässt, sich komplett anvertraut, ohne wirklich zu wissen, ob die Person es ernst meint? Leicht können dann Grenzen verschwimmen, man fühlt sich manipuliert, eventuell vernachlässigt man sich sogar selbst, weil man sich nur zugunsten des Partners auf eine Rolle einlässt, die gar nicht zu einem passt, um einfach nur zu gefallen. Aus einem Spiel kann so schnell eine Abhängigkeit entstehen und eine ungewollte Entwicklung findet statt: Aus dem Sklaven der Lust wird der Sklave der obsessiven Liebe.
Zunächst muss man herausfinden, was man wirklich möchte und was einen tatsächlich antörnt. Außerdem spielt die eigene psychische Verfassung eine wesentliche Rolle. Also stelle ich mir Fragen wie: Bin ich überhaupt offen für solche Machtspiele oder verfalle ich in alte Muster aus der Vergangenheit, die ich noch nicht richtig verarbeitet habe? Machen mich Bilder wie beim Film »Secretary« wirklich heiß? Wenn dem so ist, sollte man unbedingt auf die Partnerwahl achten. Ein dominanter Partner sollte zum einen seine Dominanz im Griff haben und zum anderen Empathie entwickeln können, ein Gefühl für ein soziales Miteinander in sich tragen sowie achtsam mit seinem unterwürfigen Partner umgehen. Schließlich begibt sich dieser auf niedrigste Stufe, liefert sich aus und vertraut. Wer BDSM praktizieren möchte, läuft immer Gefahr, auf extreme Persönlichkeiten zu treffen, deshalb braucht die Lust am Schmerz verantwortungsvolle Mitspieler. Schließlich soll dieses erotische Spiel beiden gefallen und nicht in irgendwelchen ekligen Abhängigkeiten enden, die dann dem devoten Part nur Leid statt Begehren bescheren.
Vielleicht bedeutet diese Art der Machtaufteilung durch gelebte BDSM-Praktiken in einer Gesellschaft wie heute genau das Gegenteil von Gefangensein. Sich einem Partner anzuvertrauen, wirklich fallen zu lassen bis zur völligen Hingabe, scheint ja eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Vielleicht spielt man auch ein wenig an seiner eingepferchten Aufgabenverteilung, was die Sexualität betrifft und verschwindet mal für einen Augenblick in die Rolle der Lustsklavin oder die der gnadenlosen Dominatrix. Denn ist das nicht die größte Freiheit, die wir ausleben können, experimentieren, in verschiedene Rollen schlüpfen, um für einen Moment einfach mal loszulassen?