TAKE OFF – Striptease for Queers

 

 

Anlässlich des 13. Pornfilmfestivals, das letzte Woche hier in Berlin stattfand, habe ich zwei großartige Menschen zum Interview getroffen, die neben dem Event einen Workshop gegeben haben. »Take off – Striptease for Queers«, ist ein Workshop, der von Finn Peaks, Lori Baldwin & Rebekka Lightline ins Leben gerufen wurde. Ich fragte mich, wie die Idee zu diesem Projekt entstand, und war neugierig mehr über die faszinierenden Persönlichkeiten zu erfahren. Schon bei meiner Recherche blieb ich bei den Performance-Vorstellungen der beiden hängen und freute mich auf unser bevorstehendes Treffen. Mit diesem Artikel bekommt ihr einen tieferen Einblick über das Konzept ihres Striptease Workshop.

 

Anne: Lori und Finn, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt und wie kam Rebekka ins Spiel?

Finn: Wir haben uns bei Freunden auf einer Geburtstagsparty kennengelernt. Und geflirtet, offline sowie online. Ich war interessiert an Loris Projekten, dann kam die Idee zusammenzuarbeiten.

Lori: Rebekka habe ich in Budapest kennengelernt. Wir haben uns ein Apartment geteilt und ein gemeinsames Projekt ins Leben gerufen (Kim und David). Rebekka ist später nach Berlin gezogen. Letzten Sommer haben wir uns wieder getroffen und überlegt wie wir das alte Projekt in neue Formen bringen können und so entstand die Idee »Striptease Party«. Mit Finn prallten 3 energiegeladene Dynamiken aufeinander und so wurde aus der ursprünglichen Idee »Striptease Party«, der Workshop »Striptease for Queers«. Uns war klar, da gibt es genau diese eine Lücke, die gefüllt werden muss.

Anne: Was beinhaltet euer Workshop? Wie kann ich mir das vorstellen?

Lori: Zuerst kann man sagen, dass es kein richtig oder falsches Strippen gibt, so wie du es für richtig empfindest, ist es auch richtig. Wir schaffen eine sichere Bühne, auf der Leute einfach experimentieren und spielen können, es geht nicht nur um Technik, auch wenn wir gerne Tipps geben, sondern darum sich gegenseitig zu unterstützen und einfach loszulassen. Dabei wird der natürliche Fluss des Körpers beobachtet, etwas das von Innen kommt, die Kraft der inneren Stärke/Energie. Strippen soll nicht zu ernst genommen werden, natürlich will man sexy wirken, aber man kann auch einfach mal lachen und kleine Fehler machen, man kann auch verschiedene Egos kreieren, es kann genauso gut ein Rollenspiel sein. All die physikalischen Werkzeuge sind gegeben und können auf total unterschiedliche Art und Weise genutzt werden.

Lori Baldwin ist Performance-Künstlerin, Schauspielerin, Autorin und Kulturorganisatorin. Sie schafft Chaos und Spiel, indem sie integrative Partyräume und Performance-Events ermöglicht. Sie stammt ursprünglich aus den USA und lebt und arbeitet derzeit zwischen Budapest und Berlin. Seit 2009 macht sie originelle Performance-Arbeiten sowohl in Kollektiven als auch individuell.

Anne: Es heißt ja »Striptease for Queers«, darf ich dann nicht mitmachen?

Finn: Jeder Körper und jedes Geschlecht darf teilnehmen, aber es ist ein Workshop, der explizit queer-identifizierte Menschen einlädt, da es solche Räume einfach noch nicht gibt. Deshalb haben wir einen safe(r)-Raum für all diejenigen geschaffen, die mitmachen möchten. Jeder kann kommen, wie er will, und natürlich bist du auch herzlich eingeladen, dabei zu sein.

Anne: Soll der Workshop in dieser Form weitergeführt werden?

Lori: Auf jeden Fall, die Nachfrage ist groß! Vielleicht allerdings eher als eine Weiterführung im Sinne von Lapdance etc.. In den letzten 3 Workshops ging es um die Basics, aber ich bin neugierig sich in einem Workshop komplett auf das Kreieren einer Persona zu konzentrieren, eine Routine zu entwickeln, sich gegenseitig Feedback geben, dominante und submissive Elemente mit einzubringen oder Kinky Striptease auszuprobieren. Es gibt noch so viel mehr zu entdecken. Die Idee den Workshop anschließend in einer Party enden zu lassen ist neu und wird demnächst umgesetzt. Also erst mit dem Workshop und den dazugehörigen Teilnehmern zu beginnen und dann in einer großen Striptease Party enden zu lassen, wo alle Leute dabei sein können, eine öffentliche Party. Um öfter in die Praxis zu gehen, könnte ich mir zukünftig eine Veranstaltung von z.B. einem Workshop pro Monat oder sogar mehr vorstellen.

Finn: Für uns wären regelmäßige Workshops auch besser, um die eigene Performance weiterzuentwickeln, sich wirklich Zeit dafür nehmen und sich routinemäßig vorzubereiten sowie auszutauschen.

Anne: Wie kamt ihr auf die Idee, einen Workshop in dieser Art zu präsentieren? 

Finn: Um das Konzept dünner Frauen, die für heterosexuelle Männer in Clubs tanzen (was auch gut ist), herauszufordern. Aber dann gibt es auch unsere queere Gemeinschaft und ich dachte darüber nach, für meine eigenen Leute zu strippen. Deshalb habe ich verschiedene Performance-Ansätze jenseits des klassischen sinnlichen Bildes entwickelt. Hier kann man auch lässig lachen, ich liebe es, sexy mit albern zu kombinieren.

Finn Peaks ist ein in Berlin ansässiger geschlechtsspezifischer Performer, Model, Stripper und Escort. Er ist seit einigen Jahren ein Lustaktivist und hat viele lehrreiche Workshops über Sex und Intimität, queere BDSM-Spielpartys und DIY-Porno-Kurzfilme organisiert. Er bewegt sich zwischen weiblich und männlich und betrachtet sowohl seine Sexualität als auch sein Geschlecht als fließend und sich entwickelnd.

Anne: Wie fühlt ihr euch nach dem Workshop?

Lori: Ich bin so dankbar für diese Möglichkeit, da kommt einem so viel gute Energie und Wertschätzung entgegen. Man spürt, dass es einfach eine richtige Entscheidung war, genau diese Möglichkeit mit dem Workshop ins Leben zu rufen.

Finn: Ja, die Energie von den letzten Workshops war großartig, nach dem Workshop leuchtet der ganze Raum, eine sexuelle Spannung aber auch eine energetische Befreiung ist förmlich greifbar. Man kann sehen, dass die Leute am Ende sehr glücklich und dankbar sind, das da ein Ort ist, an dem man sich einfach ausziehen kann, ohne viel nachzudenken.

Anne: Wir sind ja hier beim Pornfilmfestival. Wie ist euer Eindruck und wie seid ihr dazu gekommen euren Workshop parallel zu integrieren? 

Lori: Das war Finns Idee, da er beim Pornfilmfestival beteiligt ist und unser Workshop perfekt dazu passt. Es ist ein großartiges Event, wenn man sich überlegt, am helllichten Tag im Kino zu sitzen, um Pornos zu gucken mit all den anderen. Das ist irgendwie befreiend und eine positive Energie macht sich bemerkbar in einer Atmosphäre von Leuten, die alle mehr oder weniger im selben Business tätig sind, für mich ist das fast schon heilsam.

Finn: Für mich ist das ein ganz eigenes Universum, in das du eintauchst und dann bemerkst, eine Woche ist vergangen und es war so intensiv, du bekommst kaum Essen oder Schlaf in dieser Zeit, aber du kriegst so viel Liebe, Energie und Respekt, egal welche Projekte du machst, ob als Filmemacher, Darsteller, Musicalartist, was auch immer. Es ist eine spezielle Atmosphäre, die vor allem von viel Wertschätzung lebt, mittlerweile feiern wir ja bereits das 13. Festival. Dieses Jahr bin ich übrigens nicht nur selbst zu sehen in den Filmen vom Festival, ich werde auch auf der Bühne performen.

Anne: Habt ihr eine Botschaft, die euch persönlich am Herzen liegt, die ihr noch mal loswerden wollt in Bezug auf euren Workshop?

Lori: Während keiner von uns professionelle Stripper/in ist oder in Stripclubs gearbeitet hat, ist es für uns wichtig, die Arbeit der Menschen zu würdigen, die sie leisten, und von denen wir natürlich in einer gewissen Form etwas leihen. Es gibt viele Queer-Leute, die als professionelle Stripper/innen arbeiten, und wir wollen absolut nicht ihre Erfahrung oder ihren Beruf missachten; wir haben viel Respekt und Wertschätzung für ihre Arbeit! Ich kann mir vorstellen, dass dieser Job in einer meist hetero-dominierten Branche ihre Herausforderungen haben muss, besonders für eine queere Frau. »Take Off« ist als sicherer Raum für alle (Queer)-Menschen kreiert wurden, um zu kommen und sich auszuziehen, unabhängig von ihren Erfahrungen. Wir begrüßen die Anwesenheit von Profis, Anfängern, und allen anderen dazwischen auch, jeder, der seine Fähigkeiten teilen und den Raum mit uns weiter aufbauen möchte.

Finn: Wir möchten auch die Zugänglichkeit unseres Workshops hervorheben – der ist nämlich spendenbasiert und erfordert keine Erfahrung. Jeder kann ein Performer sein, du brauchst keine 10 Jahre Tanz- oder Schauspieltraining, du musst nur reingehen, die selbst vertrauen und dann bemerkst du, was du kannst, ein natürlicher Entwicklungsprozess findet statt.