Beziehungsregeln

 

 

Was bedeutet eigentlich der schwarze Regenschirm in Mark Turrells auserwählten Titel von »The Black Umbrella Society«? Ein Meet up, das jeden Monat stattfindet und bei dem ich dieses Mal natürlich auch wieder dabei war. Mit dem schwarzen Regenschirm erzählt Mark die Geschichte des Staates Kerala in Indien, in dem Frauen die Verantwortung tragen und er behauptet, dass die Frauen des Haushalts genau so einen schwarzen Regenschirm vor der Haustür liegen lassen würden, um dem Mann oder Mann des Hauses zu sagen, dass er einen Spaziergang machen soll, während sie mit jemand anderem zusammen ist. So viel zum Phänomen des schwarzen Regenschirms und das Entstehen einer Gruppendynamik von interessierten Menschen, die sich regelmäßig zum Meet up treffen, um über verschiedene Beziehungskonzepte zu diskutieren.

Warum kommen die Leute zu diesem Meet up? Was interessiert sie an dem Thema »Beziehungsregeln«? Das ist die erste Frage, die Mark Turrell an die Teilnehmer weitergibt. Eine große Begeisterung über das gesamte Poly-Thema reizt die Gruppe dabei zu sein, ihre Gedanken mit Menschen zu teilen, die ganz individuelle Beziehungskonzepte leben. In einem offenen Raum wird jede Meinung verstanden und reflektiert. Für all diejenigen, die schon in Partnerschaften leben, kommt vielleicht irgendwann der Punkt, an dem sie entscheiden, ihre Beziehung etwas offener auszuleben. Gerade wenn wir über langjährige Beziehungen sprechen, die schon weit über 20 Jahre existieren. Wie kreieren wir Regeln, ohne den Partner zu verletzen?

 

»Frage nicht und sage nichts« 

Eine wichtige Richtlinie, die eventuell für die meisten entscheidend ist, heißt: »Frage nicht und sage nichts.« Alleine die Vorstellung, dass der Partner gerade mit einer anderen Person im Bett war, ist nicht für jeden erstrebenswert und die meisten behalten ihre Fantasien lieber für sich. Allerdings kann auch genau das Gegenteil, die eigene Beziehung wieder aufheizen, nämlich dann, wenn der Partner alle Details von dem Liebesakt, der offensichtlich ohne ihn stattgefunden hat, präsentiert bekommen möchte. Generell plädiere ich aber auch für eine gesunde Weiterführung der gegenwärtigen Beziehung mit dem Credo: Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Eine wichtige Grundvoraussetzung bei dem Liebesspiel mit anderen sollte natürlich die Verhütung sein, darin waren sich alle einig. Denn niemand möchte seine eigene Beziehung gefährden, nicht gesundheitlich und auch nicht im Hinblick auf Gefühle. Und da kommen wir direkt zum nächsten Punkt.

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Verlieben ist eine Illusion

Wer in einer Partnerschaft lebt und das Bedürfnis hat mit anderen Personen zu schlafen, ohne den eigenen Partner mit einzubeziehen, läuft natürlich auch Gefahr sich zu verlieben. Aber, was ist, wenn schon alles zur Verfügung steht? Wenn man sich seiner Beziehung mit all den durchlebten Höhen und Tiefen bewusst ist, meint, wenn kein anderer Mensch Einfluss darauf nehmen kann, das alles, was geteilt wird, rein körperlicher Natur ist und im besten Fall auch nicht in einer Affäre endet? Dann könnte ‘Verlieben’, so wie wir wie es kennen, tatsächlich eine Illusion sein. Wer sich nur auf die eigenen Gelüste konzentriert und sich die Stabilität in seiner Beziehungsburg stets vor Augen führt, kann meiner Meinung nach, nach Herzenslust Körperlichkeiten austauschen, ohne zu verfallen. Marks Statement dazu: »Die Sehnsucht nach verschiedenen sexuellen Partnerschaften ist keine große Sache, wenn wir bedenken, dass kein Affe monogam lebt und auch nicht der Mensch. Denn genau wie der Bonobo ist auch der Mensch nicht zur Monogamie gemacht.«

 

Den Eifersuchtsknopf ausschalten 

Trennung von Sorgen, erklärt die unterschiedliche Emotionalität zwischen Menschen und ob sie beispielsweise eifersüchtig sind oder nicht. Wer rational statt emotional denkt, kann sich und seine Partnerschaft schützen, ohne andere zu verletzen. Allerdings sollte meiner Meinung nach Emotionalität nie auf der Strecke bleiben, um auch den gewissen »One-Night-Stands« Respekt zu zollen. Wer sich für eine offene Beziehung entscheidet, sollte unbedingt das Thema Eifersucht außen vor lassen. Für wen das ein großes Problem darstellt, könnte sich jetzt einmal nach den Auslösern fragen. Also warum reagieren wir überhaupt eifersüchtig? Normalerweise ist das nur mit Besitzdenken verhaftet. Wer sich in seiner Partnerschaft sicher fühlt, hat eigentlich keinen Grund zur Eifersucht. Der Code des Egoismus besagt: »Die Triebkraft menschlicher Eifersucht ist egoistisch.« Der Code der Liebe besagt: »Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest.«

Eine einseitige offene Beziehung ist übrigens keine gute Lösung, zumindest dann nicht, wenn es nur darum geht, den Partner nicht zu verlieren und dadurch dessen Eskapaden akzeptiert. Es ist immer gut, zu hinterfragen, was man möchte und keine Kompromisse sowie Verpflichtungen gegenüber einer anderen Person zu machen. Jede Veränderung beginnt zuerst bei uns selbst und Pias Antwort darauf sieht so aus: »Warum müssen wir uns immer zu einer anderen Person bekennen, anstatt zu uns selbst, wenn ich über 30 Jahre alt und Single bin und dafür bemitleidet werde, stimmt doch irgendwas nicht.«

 

Und genau da fängt es an und hört irgendwie auch wieder auf. In der nächsten Meet-up-Runde am 19. Dezember hat Pias Denkanstoß das neue Thema auf den Tisch gebracht.

Ich habe zuletzt viel darüber nachgedacht und auch ich bin mir der Vollkommenheit in einer Beziehung nicht mehr so sicher, oder besser gesagt, wenn alles da ist und man sich wohlfühlt, sei es mit einer Arbeit, die einen ausfüllt oder den Freunden, die einem ständig zeigen, wie wichtig man ist, wozu braucht man dann eigentlich noch einen Partner? Geht es nur darum sich gemütlich einzunisten, nach Belieben Sex haben zu können, etwas gemeinsam aufzubauen und am Ende eventuell vielleicht frustriert zu sein, weil man die eigene Autonomie vernachlässigt hat? Ist die Suche nach dem perfekten Ort, einen Ort, den man schon längst gefunden hat, nicht die eigentliche Wahrhaftigkeit? Warum sehnen wir uns immer nach einer Zugehörigkeit, eine andere Person die uns vervollständigt, wenn wir doch schon längst angekommen sind.