Dasselbe Hotel, ein neuer Raum

 

 

Wie unterschiedlich Dates sein können, auch wenn sie erst mal nach demselben Schema ablaufen und man manchmal das Gefühl hat, dasselbe immer und immer wieder zu erleben, nur das eine andere Person vor einem steht, so hat mich gerade diese Geschichte wieder eines Besseren belehrt. Am Kurfürstendamm trifft man gewöhnlich häufig internationale Gäste und verabredet sich dafür in der Lobby des Hotels.

 

Ich sitze also in der Lobby im »Hotel Palace« und lausche den wunderbaren Klavierklängen, während ich auf Noah warte. Noah ist mein Date für diesen Abend und ich fand die ganze Atmosphäre von Anfang an sehr elegant. Ein Pariser hat sich dieses Hotel ausgewählt, es war nach meinem Geschmack, ich freute mich auf einen geselligen Abend mit ein paar Drinks und unserem Kennenlernen. Irgendwie hatte ich gewisse Erwartungen, als ich zuvor mit Noah schrieb, er schien mir sehr ansprechend. Wie sich herausstellte, hatte es Noah allerdings etwas eilig, schnell gab er mir zu begreifen, dass er mit mir direkt aufs Zimmer wollte. Ich kippte meinen Gin Tonic weg und uns blieb nur kurz Zeit für eine Zigarettenlänge im gemütlichen Raucherzimmer zu oberflächlichen Geplänkel. Ich vermisste den Klavierspieler und seine wunderbare Musik, ich vermisste zu bleiben für einen längeren Augenblick.

So hatte ich mir den Abend nicht ausgemalt, aber ich fand ihn attraktiv und verstand seine Lust schnell mit mir im Zimmer zu verschwinden als Kompliment. Auf seinem Zimmer ging alles zack zack, er zog mich aus, setzte sich auf die Couch und ließ sich genüsslich einen blasen, während ich auf den Knien vor ihm saß. Dann warf er mich aufs Bett, entledigte sich seiner Kleidung, stülpte sich ein Kondom über und schlief mit mir. Ich glaube, die ganze Nummer dauerte nicht länger als zehn Minuten, ein Zeitraffer Moment schlich sich ein und ich wusste nicht, ob das vielleicht am Gin Tonic lag, der eigentlich genüsslich verspeist werden wollte. Noah kam, ich nicht, er zieht sich an, ich zieh mich an und Schwups waren wir wieder vor dem Hotel mit einer letzten Zigarette und einer höflichen Umarmung. »Merci Noah et bonne nuit!«, waren meine letzten Worte als ich mit der Zigarette die Straßen zum Zoologischen Garten lief. Nicht Mal für diese Zigarettenlänge hat es gereicht, dachte ich und schaute auf die Uhr, der Abend hat gerade erst begonnen.

 

Ein anderer Tag, ein anderes Kleid. Ich laufe die Budapester Straße entlang. Heute treffe ich mich mit Søren. Søren kommt aus Schweden und ich bin wie immer sehr gespannt. Wir treffen uns in der Hotellobby und da ist er dieser Moment: Ich kenne dieses Klavier, den Klavierspieler, die Atmosphäre, ich war schon mal hier gewesen. Wie oft habe ich die Hotels eigentlich schon gewechselt, kurz blieb mir die Luft weg. Dann dachte ich an eine magische Wendung, vielleicht würde dieser Abend meinen Erwartungen gerecht werden, anders als mit Noah, vielleicht hatten wir diesmal Zeit für ein paar Drinks, gehaltvolle Gespräche und einem anschließenden Verwöhnprogramm, der in Erinnerung bleibt?

Søren sitzt in einem Clubsessel, ein perfekter Gentleman. Er nimmt meinen Mantel ab und hat bereits eine Flasche Rotwein für uns bestellt. Er ist körperlich nicht so anziehend wie Noah, aber Søren begeistert mich mit seiner Art durch und durch. Wir haben uns so viel zu erzählen, das an Sex erst mal lange nicht zu denken ist. Er bringt mich zum Lachen, nach ein paar Stunden entscheiden wir uns zusammen aufs Zimmer zu gehen.

Wir sitzen auf dem Bett und er öffnet die nächste Flasche Wein. Ich erinnere mich an den Geruch von Orangenschalen an seinen Fingern, während er mein Gesicht in die Hände nimmt und mich zärtlich küsst. Dasselbe Hotel, ein neuer Raum, alles ist heute anders. Slow Motion, jeder Moment wird ausgekostet, jede Liebkosung bekommt einen eigenen Charakter. Ich war schon ein wenig angetrunken, aber dennoch weiß ich die Intensität zu schätzen, die Ehre mit Søren zusammenzukommen. Er hat sich um mich gekümmert, jede einzelne Zelle meines Körpers geliebt, die Zuckungen bei meinen heftigen Orgasmen zelebriert, er wusste, wie man eine Frau zum Höhepunkt bringt. Es ging ihm nicht um seine Befriedigung, er wollte beobachten, sein einziges Ziel an diesem Abend war mich glücklich zu machen. 

 

Nach diesem berauschenden Erlebnis von multiplen Orgasmen war ich happy. Wir lagen noch eine Weile zusammen im Bett und tranken angekuschelt aneinander diesen Franzosen. Ich musste schmunzeln, als ich die Flasche begutachtete und noch einen Blick in den Raum warf. Das Zimmer war ähnlich zu dem anderen, aber dennoch komplett anders. Die Anordnung der Möbel war dieselbe, die Farben nicht wieder zu erkennen. Ich küsste Sørens Gesicht, seine Wangen, seine Stirn, seinen Mund. Ich war dankbar für diesen Abend. Ich küsste seine Finger, die immer noch nach Orangenschalen rochen, und sagte »Goodbye«. Mit einem Lächeln blickte ich zurück und stieg zum ersten Mal direkt ins Taxi an der Eingangstür vorm Hotel. An diesem Abend gab es nix mehr zu verdauen, nix zu überdenken, ich war rundum ausgefüllt.

Und ich denke wieder: wie unterschiedlich Begegnungen sein können, wie unterschiedlich kleine Details alles verändern können. Den Abend mit Noah hab ich vergessen, er ist verschwommen, als wäre er nie da gewesen, aber die gemeinsame Zeit mit Søren wird mir wahrscheinlich ewig in Erinnerung bleiben. Die verschiedenen Gerüche, die Textur seiner Haut, seinen Gesichtsausdruck, während er mich befriedigt, die Schweißtropfen auf meinen Brüsten. Selig nicke ich während der Taxifahrt ein, ich glaube, ich war nie zufriedener nach einem Date.