Die Reisende

 

 

Ein quietschendes Garagentor und eine Kiste mit unnützen Dingen aus der Vergangenheit ist alles, was ihr geblieben ist. Anna schaut auf die Kiste, an der sich langsam die wiegenden Schneeflocken in Luft auflösen und beobachtet, wie sich der letzte Zentimeter des Garagentores zu ihren Füßen schließt. Dieses Tor ist nun endgültig zu, denkt sie sich. Die letzten Wochen waren nervenzerreißend. Sie wollte niemandes Frau sein, ihre innere Unruhe beflügelte sie, sich ständig zu bewegen und nirgendwo richtig stehen zu bleiben. Mit Blake war das anders. Er hatte es geschafft, er hat es geschafft Anna zumindest für zwei Jahre fest an sich zu binden und sie fühlte sich für diese Dauer mehr als vollkommen. Nun läuft sie mit ihrer Kiste die schneebedeckten Straßen von Pennsylvania entlang und fragt sich, wie sie es wieder geschafft hat, jemanden der ihr eigentlich sehr viel bedeutet, so wütend zu machen. Blake hat sie vor die Tür geworfen. Nichts von dem, was sie einmal kannte, würde noch von Bedeutung sein. Nichts, von dem was sie einmal ihr Zuhause nannte, würde hier weiterhin existieren.

 

Die Bar Louie öffnet gerade. Es ist 11 Uhr morgens und Anna beschließt kurz durchzuatmen. Sie schmeißt die Kiste auf den Tresen, klopft ihren Mantel aus, zieht die Mütze vom Kopf, setzt sich mit einem tiefen Seufzer auf den klebrigen Barhocker und bestellt sich einen Whiskey. Sie erinnert sich wie sie hier mit Blake zuletzt Billard spielte, wie er sich eng an ihrem Gesäß vorbeischob, während sie versuchte den Queue fokussiert zu platzieren. »Queue« ist französisch und bedeutet übersetzt »Schwanz«, der Schwanz eines Tieres oder eines Vogels und wird als Spielstock bezeichnet, mit dem die Bälle beim Billard gestoßen werden. Sie erinnert sich an sein steifes Glied, während sie weiterhin versuchte sich zu fokussieren. Auf diese Weise verunsicherte er Anna nur zu gern und oft verfehlte sie dabei den richtigen Stoß. Dann nahm er sie in den Arm und drückte sein erregtes Glied sanft zwischen ihre Beine. Sie küssten sich und verließen hastig die Bar. Es waren diese Momente, die Anna besonders in Erinnerung geblieben sind. Es war egal, wo sie sich gerade aufhielten, ob an der Kasse beim Supermarkt, in der dunklen Sitzecke im Kino oder bei Freunden am Gästetisch, jedes Mal geriet ihre Leidenschaft aus den Fugen und nur kurze Zeit später vögelten sie hart und ungeniert.

Genau wie an diesem Abend, als sie die Bar verließen und um die nächste Ecke verschwanden. Sie liebte den Geruch von nassem Schnee auf seiner Haut, das Knarzen ihrer Sohlen, sein Stöhnen, das sie wie eine große Stille vermochte, denn das war die unbestrittene Botschaft des Winters, wenn der Schnee Einzug hielt und keiner hastig vorankam, sondern sich den Gegebenheiten anpassen musste. »Bitte hör nicht auf!«, flüsterte sie in sein Ohr, während er tief in sie ein und austauchte und ihr dabei in die gierigen Augen blickte. Ihre Körper waren heiß und kalt zugleich. Anna war so feucht, dass ihr die Lust an den Schenkeln herunterlief. Blake kniete sich vor sie und leckte den Saft von den Schenkeln, dabei schaute er zu ihr nach oben. Anna kam schnell, während er so zu ihren Füßen lag und einen Finger nach dem anderen in ihre Scheide einführte. Niemand konnte ihr auf solch abenteuerliche Weise Befriedigung geben. Er wusste, dass Anna am liebsten außerhalb der Betten Sex hat, wenn die Gelegenheit besteht, dass sie beobachtet werden, wenn er mit ihr macht, wonach ihm der Sinn steht, ohne zu fragen, ohne abzuwarten. Sie kam heftig und streichelte seine blonden Haare, während er schmunzelnd ihre Knie küsste.

 

Anna schiebt das halb leere Whiskeyglas vor ihren trostlosen Augen hin und her. Es war der letzte Abend, an dem sie sich mit Blake begnügte und nachdem er herausgefunden hat, dass sie mehrere Liebhaber parallel verführte. Sie wünschte sich treu sein zu können, sie wünschte sich, das nichts davon etwas Schlimmes bedeuten müsste. Sie fühlte sich wie ein Kind hin und hergerissen zwischen mitreißenden Abenteuern, denen sie nicht vermochte den Rücken zuzukehren. Sie liebt Blake, aber sie liebt auch Adam, den sie auf ihrer Reise nach London traf und der ihr seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht. Sie schreibt mit ihm, sie tauschen hungrige Fantasien und planen sich wiederzusehen. Sie träumt von seinem Körper, wie sie auf ihm sitzt und seine behaarte Brust liebkost. Wie sie ihn in reitet und ihr der Schweiß von den Brüsten rinnt. Wie er sie zu sich zieht und sie auf den Rücken schmeißt. Wie er in sie eindringt und sie gemeinsam zuschauen, wie sein pulsierendes Glied in ihrer feuchten Scheide verschwindet. Wie er ihre Brustwarzen zusammenpresst, um sie danach mit seiner Zunge zu verwöhnen. Wie er ihr den Mund zuhält, um dann sein Tempo zu verändern. Wie er immer härter zustößt und dabei genussvoll zwischen ihre Schenkel schaut. Wie sich sein Blick verändert und sich die nassen Strähnen über die Stirn legen. Wie er in ihr kommt, wie er in ihr kommt.

 

Aus ihren Tagträumen gerissen bemerkt Anna eine Hand auf ihrer Schulter. Erschrocken lässt sie ihr Glas los und wischt über ihre schweißbenetzten Gelenke. Diese erotischen Fantasien rauben ihr den Verstand, sie kann sich darin zurücklehnen, sie kann allein durch diese Fantasien ihren Körper in Ekstase bringen, egal wo sie gerade ist. Sie schaut auf die Hand an ihrer Schulter. Sie kennt die langen, schmalen Finger mit den abgeknabberten Nägeln nur zu gut. Sie erinnert sich an eine gewisse Weiblichkeit, die zu diesen Händen gehört, ein Könner seiner Art. Nur jemand der ein Musikinstrument beherrscht, konnte so ihren Körper berühren, wie er es getan hat. Diese grazilen Finger, jeder Knochen sichtbar, sie hat diese Finger studiert. Sie hatte jeden Einzelnen in ihren Mund gesteckt, mit ihrer Zunge umspielt, um sie dann nach und nach in sich einzuführen. Er erinnert sich an ihr hingebungsvolles Gesicht, welches so viel Sehnsucht ausstrahlte, während sie auf ihm saß und er ihre perfekten Rundungen musterte. Wie sie rhythmisch auf seinem Glied tanzte, als wäre es ihr einziger Genuss. Wie sie sich abwechselnd nach vorn und  hinten lehnte, um ihn noch tiefer in sich zu spüren. Wie sie sich auf die Knie setzte, um zu beobachten, wie sein Schwanz in ihre Scheide glitt. Wie sie seine Eichel um ihre Klitoris führte, als wäre es ihr Spielzeug. Wie sie auf ihm kam, wie sie auf ihm kam.

Anna greift nach der Hand auf ihrer Schulter. Blicke treffen sich. Es ist schon eine Weile her, seit sie Thomas das letzte Mal gesehen hat.