Nenn mich Vagina

 

 

 

»The heart is capable of sacrifice. So is the vagina. The heart is able to forgive and repair. It can change it’s shape to let us in. It can expand to let us out. So can the vagina. It can ache for us and stretch for us, die for us and bleed and bleed us into this difficult, wondrous world. So can the vagina. I was there in the room. I remember.«
― Eve Ensler, The Vagina Monologues ―

 

»Egal, wie lange ich darüber nachdenke, es gibt keinen schönen Namen für die Vagina«, meinte letztens eine Freundin zu mir, nachdem ich sie fragte, wie sie ihre Genitalien nennt. Nach einer langen Pause bat sie mich, näher heranzurücken. Also rückte ich ganz nah an sie heran und konnte allein durch ihre Lippenbewegung das Wort »MUSCHI« vernehmen. »Muschi finde ich noch am akzeptabelsten, das klingt nach mir, nach einer Frau. Eine Pussy habe ich definitiv nicht.« Interessant dachte ich in dem Moment, als ich mich umschaute und auf ein paar Mütter blickte, die liebevoll ihre Kinderchen schaukelten. Was die wohl dazu sagen? Würden sie mir auch ihre Worte heimlich zuflüstern oder mich empört anschauen, denn es soll ja keiner mitbekommen, dass wir in der Öffentlichkeit über unsere Geschlechter reden und dann auch noch mit diesen schrecklichen Namen: Muschi, Scheide, Pussy, Möse, Vagina! Und führt das nicht auch bei ihren Kindern irgendwann zu Verwirrungen? Denn laut einer Studie kennen sowohl Jungen wie auch Mädchen häufiger Namen für das männliche als für das weibliche Geschlechtsteil. In fast allen Aufklärungsbüchern für Kinder ist nur von Scheide die Rede, damit ist allerdings ausschließlich der innere Teil gemeint. Spätestens, wenn es um Petting oder Hygiene geht, ist es aber wichtig, zwischen Scheide und Vulva zu unterscheiden.

Ich habe mich gefragt, welcher Name mir am besten gefällt und konnte mich gar nicht festlegen. Ich persönlich mag Muschi, Vagina, Vulva und auch Pussy, kommt eben immer auf den Zusammenhang in der jeweiligen Situation an. Meistens bevorzuge ich auch die Details beim Namen zu nennen, warum nicht den Kitzler lecken, die Schamlippen streicheln und den wunderbaren G-Punkt stimulieren? Schon eigenartig, das es scheinbar immer noch ein Tabuthema ist offen über die Geschlechtsorgane der Frau zu reden. Bei meiner Recherche zu diesem Thema bin ich auf eine Flut an Begrifflichkeiten aufmerksam geworden. Googelt man »Scheide anderes Wort«, poppen interessante und auch seltsame Namen für das weibliche Geschlecht auf. Während ich bei Fickgrotte, Saftfotze und Fleischtasche fast vor Lachen aus dem Bürostuhl gekippt wäre, fand ich andere wie Blume, Mumu oder Pflaume doch sehr weit hergeholt und auch ziemlich kindlich. Wieso fällt es uns so schwer, schöne Wörter wie »Vagina« oder auch »Muschi« laut auszusprechen und sie so anzunehmen, wie sie sind?

 

Wenn ich meine erotischen Geschichten schreibe, verwende ich oft verschiedene Begriffe um Abwechslung reinzubringen. Dabei finde ich Vulva am poetischsten, diese bezeichnet allerdings nur den äußeren Teil der Geschlechtsorgane und nicht das schöne Innenleben. Ansonsten wechsle ich beliebig zwischen Pussy, Muschi, Scheide, Geschlecht, Vagina oder auch Tempel. Ich muss zugeben, dass auch ich Pussy nur mit Frauen suggeriere, die entweder jung oder unterwürfig sind, solchen, denen ich diese Rolle verpasse. Ich stelle mir dann immer sehr schlanke, feingliedrige Körper vor. Eine Pussy ist rasiert, eine Muschi gehört zu einer reifen Frau, sie darf gern viele Schamhaare haben und regt sich natürlich selbstbewusst ihren Sexualpartnern entgegen. Scheide und Vagina empfinde ich als gleichgestellt schön, da habe ich keine bestimmten Assoziationen. Als geschriebenes Wort sehe ich die Ästhetik in den Buchstaben sowieso immer anders, in meinen Gedanken spreche ich sie laut aus und im Kontext finde ich sie dann sehr erotisch. Die englischen Varianten »Vagina« und »Cooch« klingen natürlich weicher und irgendwie stimmungsvoller, aber dennoch sollte man den deutschen eindeutigen Wortschöpfungen etwas mehr Wertschätzung gegenüber bringen.

 

Ist Frau doch noch nicht ganz angekommen mit ihrer Selbstsicherheit den eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er ist, unabhängig von all den medialen 0815 Aufhängern unerreichbarer Skinny Figuren?

Feminismus hin oder her, während die einen ganz stolz ihre Weiblichkeit präsentieren, Worte wie »Cunt« positiv bewerten, sich die Scham-, und Achselhaare dschungelartig wachsen lassen und damit eine Art Gegenbewegung präsentieren, stehen auf der anderen Seite, diejenigen, die sich ständig Gedanken machen, mit Fragen wie: Bin ich eigentlich ordentlich rasiert, wenn er unten auf Entdeckungsreise geht, riecht meine Muschi auch gut genug? Vielleicht haben Frauen noch etwas Nachholbedarf im Vergleich zu den Männern, die ja mit ihren Geschlechtern und den dazugehörigen Wörtern wie Penis oder Schwanz keine Probleme zu scheinen haben und auch im Umgang ganz ungezwungen mit der Peitsche schwingen. Und wer will schon eine Möse aus Stahl? Das dazwischen fehlt mir immer wieder: keine unsicheren Weibchen und auch keine feministischen Monsterfrauen.

Nennt die Sexualität beim Namen, denn ich glaube wirklich, dass jedes Wort schön sein kann, am Ende kommt es nur darauf an, wie man es ausspricht, es verkörpert. Einmal kurz innehalten, die Begriffe mehrmals laut wiederholen, und man wird feststellen, dass ein Penis auch nicht schöner ist, als eine Vagina. Wenn das Geschlecht einer jeden Frau eine Stimme hätte, würde es wahrscheinlich sagen: »Nenn mich, wie du magst, hauptsache du fühlst dich wohl!«