Sex in der islamischen Kultur
Dirty Talk, Toys, BDSM, Pornografie, Anal- und Oralverkehr, alles ist erlaubt und wird in der westlichen Kultur meist völlig ungeniert praktiziert, aber wie sieht das ganze eigentlich in arabischen Ländern aus? Darf man beim Geschlechtsverkehr völlig unbekleidet sein, was ist mit Selbstbefriedigung und welche Verhütungsmittel können beim Liebesakt benutzt werden? Nach meiner Recherche habe ich viele unterschiedliche Meinungen vernommen, die alle auf eine veraltete Tradition zurückführen und mich zu dieser Aussage bringen: Die islamische Kultur versagt bei der Wahrnehmung der eigenen Sexualität! Dass dort die Frauen nach wie vor benachteiligt sind, ist keine Neuigkeit, aber das es gewisse Regeln gibt, die beispielsweise den Geschlechtsverkehr während der Menstruation verbieten, gibt mir wirklich zu denken. Natürlich gibt es auch Verbote (Haram), die offensichtlich klar sind: Dreierkonstellationen sind ausgeschlossen, Pornos schauen tabu und Analsex gilt als unrein, aber warum um Gottes willen wird die glorreiche Weiblichkeit so sehr verpönt, das selbst in Ehen der blutige Akt völlig vermieden wird? Die Vorstellung, dass eine Frau während der Menstruation schmutzig oder unrein ist, stammt aus alten Mythen und findet keinen Ansatz in der Realität. Somit ist klar, dass der Autor des Korans keine Ahnung hatte, das mit dem Einsetzen der Menstruation gleichzeitig auch ein Beleg der Fruchtbarkeit der Frau gegeben ist und dieser Vorgang auch gern als magisch oder sogar heilig betitelt wird. Denn aus medizinischer Sicht gibt es keinen Grund während der Periode auf den Sex zu verzichten, in einer empfindlichen Zeit, in der Frauen meist sogar erregter sind, als im Rest des Monats.
Übrigens: Das Wort »Tabu« leitet sich von dem polynesischen Wort »Tapua« ab, was sowohl »heilig« als auch »Menstruationsfluss« bedeutet.
Nacktheit
Bei dem Thema Nacktsein während des Geschlechtsverkehrs gibt es verschiedene Meinungen. Laut einem sehr strengen Rechtsgutachten (Fatwa) verliert die Ehe ihre Gültigkeit, wenn die Partner beim Liebesakt nackt sind: Menschen sind keine Tiere, hätten ein Schamgefühl und sollen deshalb grundsätzlich bekleidet sein. Aber wenn Eheleute es wie die Tiere, also nackt, treiben wollen, dürfen sie es auch. Ein Direktor der Fatwa-Abteilung argumentierte: Verheiratete dürften sich nach islamischem Recht durchaus voreinander komplett ausziehen, sollten aber den Blick nicht direkt auf die Geschlechtsteile des Partners richten. Fakt ist, dass der Koran keine Auskunft darüber gibt, ob die Geschlechtsteile beim Sex bedeckt bleiben müssen, das Kopftuch der Frau wird in meisten Fällen natürlich abgelegt, aber auch da gibt es Ausnahmen.
Selbstbefriedigung
Auch hier gibt es Abweichungen. Puristen meinen, das Onanieren unzüchtig sei, da der sexuelle Trieb des Menschen ausschließlich der Fortpflanzung dienen soll. Geistliche bestätigen wiederum das es erlaubt (Halal) ist, zumindest für die unverheirateten Männer, solange ihnen die finanziellen Mittel für eine Ehe fehlen oder wenn dadurch eine Vergewaltigung verhindert werden könnte. Aber es sei grundsätzlich besser, seine Zeit damit zu verbringen, Gott zu ehren und zu beten.
Eine neue Interpretation liegt der modernen islamischen Lehre zugrunde, die besagt: Wer möchte, darf sich auch mit sich selbst vergnügen. Argumentiert wird, dass sich jeder um sein körperliches Wohl kümmern soll und Masturbation gehört nun mal zu den normalen physischen Bedürfnissen. Denn überall auf der Welt gilt: Trieb ist Trieb und die Natur stärker als die Religion.
Oral- und Analsex
Auch beim Thema Oralsex scheiden sich die Geister. Für die einen gilt der Kontakt zwischen Mund und Geschlechtsteil als »unrein«, für die anderen ist es Ok, so lang das Sperma nicht in den Mund der Frau gelangt und somit vergeudet wird. Wenn man bedenkt, das sowohl das männliche Ejakulat, wie auch das weibliche Scheidensekret in der islamischen Rechtsprechung als »rein« kategorisiert wird, fragt man sich, was eigentlich Phase ist. Ein Zwiespalt, der offensichtlich überhaupt keinen Sinn ergibt. Gegensätzlich bezeichnet übrigens der »Islamische Zentralrat Schweiz« (IZRS) den Oralverkehr als unproblematisch. Es würde in vielen Regionen zu den gängigen Sexualpraktiken zählen und gilt in keinen bekannten Quelltexten als verboten.
Die größte Sünde überhaupt stellt Analsex in der islamischen Kultur dar. Da sind sich alle einig und auch der IZRS unterstreicht: Analsex ist tabu! Oft zitiert wird in diesem Zusammenhang die Stimme des Propheten: »Verflucht sei der, der sich dem Rektum einer Frau annähert.«
Empfängnisverhütung
Eine mehr oder weniger positive Ansicht zeigt sich mit dem Umgang der Empfängnisverhütung, die besagt, dass es jedem freigestellt sei, Verhütungsmittel zu benutzen oder darauf zu verzichten. Schon der Prophet Mohammed soll nichts dagegen gehabt haben, dass jedes Paar selbst entscheidet, wann und wie viele Kinder es bekommen möchte. Es gibt in der arabischen Welt also kein Verbot der Verhütung, wenn dadurch nicht die Gesundheit beeinträchtigt, kein befruchtetes Ei zerstört und eine Schwangerschaft nicht für immer verunmöglicht wird. Somit ist allerdings eine Sterilisation ausgeschlossen. Die islamische Lehre beruht sich hierbei auf eine besonders bejahende Einstellung zu Kindern.
Meine Lesetipps zu diesem Thema
The Muslimah Sex Manual: A Halal Guide to Mind Blowing Sex von Umm Muladhat : »Ich denke, das größte Missverständnis, das Menschen gegenüber muslimischen Frauen haben, ist, dass sie Angst vor Sex haben oder zu bescheiden sind, um darüber nachzudenken.« Umm Muladhat ist selbst Muslima und schreibt für eine Zielgruppe, in der Sex bisher nur selten öffentlich diskutiert wurde. Inhalt des Buches sind die Beschreibungen von unterschiedlichen Stellungen sowie Techniken beim Geschlechtsverkehr.
»Sex und die Zitadelle« von Shereen El Feki. in diesem Buch spricht Shereen El Feki von Einblicken und Erkenntnissen über das unbekannte Liebesleben in arabischen Ländern. Shereen El Feki deckt dabei die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen Sexualität, Religion, Tradition, Politik und Ökonomie auf. Einfacher gesagt: Die Art und Weise, wie Menschen miteinander schlafen, erzählt viel über den Zustand der Gesellschaft, in der jeder lebt.
Auch in der islamischen Kultur geht also ein Wandel in der Gesellschaft im Zusammenhang zu einer offeneren Sexualität nicht vorbei.