Erwachen

 

 Susanna kennt ihre gewohnten Abläufe ganz genau. Sie steht auf, sie geht ins Bad, dann duscht sie und zieht sich ihren Bademantel über. Sie schlendert in die Küche, setzt heißes Wasser auf und beginnt die Schulbrote für die Kinder zu schmieren. Sie mag Dinge zu beenden, um dann wieder von vorne anzufangen. Sie mag das Gefühl alles unter Kontrolle zu haben, routinierte Abläufe, ihre eigene Kreation, auch wenn ihr dadurch viele Momente so banal vorkommen, als würde sie sich im Kreis drehen, als wäre ihr Leben schon in Zement manifestiert. Sie geht auf die Straße zum Briefkasten, wie jeden Morgen. Sie holt die Zeitung, begrüßt den Nachbarn und gönnt sich einen Schluck heißen Darjeeling Tee. Sie markiert die interessantesten Themen mit einem neonfarbenen Stift, um ihren Mann mehr Zeit zu schenken. So kann er leicht die Highlights durchblättern, sich mehr den Kindern widmen und dann wie jeden Tag seine Frau mit einem flüchtigen Kuss verabschieden.

Alle haben das Haus verlassen und Susanna setzt sich wieder an den Küchentisch, um den vorletzten Schluck ihres Tees zu trinken und den Rest in die Spüle zu kippen. Dann geht sie zurück ins Badezimmer und wirft einen Blick in den Spiegel. Mittlerweile sind etliche Jahre vergangen und auch diese Woche würde genau wie all die anderen zuvor, einem genauen Plan folgen. Es gab keine Überraschungen mehr, irgendwie haben sie sich in ihrem Leben eingerichtet, nachdem sie vor 20 Jahren geheiratet haben. Damals verfiel sie Alex von der ersten Sekunde. Er hatte diese ehrfürchtige Ausstrahlung, die Strenge, das Selbstbewusstsein eines gut aussehenden jungen Mannes, dem die Welt zu Füßen lag. Sie erinnert sich an hemmungslose Sexszenen, vollkommene Begierde. Wann war das letzte Mal, dass sie einander wirklich angesehen haben, sich wahrgenommen haben? Wann war das letzte Mal, als er sie leidenschaftlich überwältigt hat, so wie früher, ohne Frage ohne Einverständnis? Susanna liebte seine dominante Haltung, sie wollte schon immer einfach nur Ehefrau sein und eine Rolle erfüllen. Kinder bekommen, den Haushalt führen, sich um den Garten kümmern, Geliebte und gleichzeitig Mutter sein. Sie fühlte sich begehrt, Alex wiederum liebte ihre unterwürfige Haltung, er war das perfekte Gegenstück zu ihrer Inszenierung. Sie blickt in verschwommene Augen und verspürt eine gewisse Sehnsucht in ihrer unteren Bauchregion, ein Kribbeln, die diesem gewohnten Trott nur mit Unwohlsein entgegentritt. Es ist diese innere Unruhe, die sie stets daran erinnert, sich hemmungslos ihrem Verlangen hinzugeben, die Kontrolle abzugeben, so wie zu Beginn einer vielversprechenden Liaison.

 

Montags und Mittwochs Punkt 13 Uhr sind Susannas Lieblingszeiten, dann besucht sie ihr heimatliches Hallenbad, so wie an diesem wolkenbedeckten Montagmittag, an dem die Menschen genau wie sie ihren Alltag wieder erneut in die Hand nehmen, um ihre gewohnte Liste abzuarbeiten. Das Wasser lässt sie weich werden, sie fühlt sich in diesem Zustand völlig frei. Sie war eine talentierte Schwimmerin und sie erinnert sich, wie Alex sie stets bei ihren Turnieren vom Beckenrand anfeuerte. Anschließend schlich er heimlich zu den Duschen der Damenumkleide. Er ging vor Susanna auf die Knie, um seine Art von Ehrgefühl zu zeigen. Er schob ihren Badeanzug zur Seite und ließ seine Finger darunter gleiten. Er leckte ihre Vulva und steckte seine Zunge ganz tief in ihr Innerstes. Er kreiste mit seinem Mund über ihren weichen Flaum. Nachdem er sie zum Höhepunkt gebracht hat, blickte er zufrieden auf ihre angeschwollenen Schamlippen und streifte den Badeanzug zärtlich zurück. Er war stolz auf sie.

Susanna spürt wie diese intensive Umtriebigkeit, ihre innere Unruhe immer lauter wird, nach all den Jahren von Verzicht, nach all den Jahren unbefriedigender Sexszenen, Eintönigkeit, nach all den Jahren, was will man erwarten, denkt sie sich. Nachdem sie routiniert ihre 12 Bahnen schwimmt, geht Susanna direkt in die kleine finnische Sauna. Zuvor holt sie sich ein Handtuch und ein Kissen für ihre Augen. Meistens ist sie ganz allein in der Sauna, aber manchmal hört sie, wie die Tür aufgeht und sich eine Person dazugesellt. In diesen Momenten genießt sie nichts zu sehen, nichts zu wissen, um sich ihren Fantasien völlig hinzugeben. Ihre Haut und ihre Hingebung sind spürbar elektrisierend. Sie berührt ihre schweißgebadeten Schenkel, während vertrauter Chlorgeruch ihre Nasenflügel durchströmt. Sie streichelt ihre vollen, runden Brüste auf der sich eine Gänsehaut bildet, um sich dann wohlwollend ihren Tagträumen hinzugeben. Meistens stellt sie sich vor, wie viele Hände ihren Körper erkunden, wie mehrere Finger leicht in all ihren Öffnungen ein und ausgleiten, wie sie sich vor Lust rekelt, wie sie kommt, wie sie abspritzt und der Schweiß sich mit ihrem Sekret vereint. Susanna ist halb eingeschlafen, als sie das Klicken der Tür wahrnimmt und sie weiß, sie ist nicht mehr allein. Ihre Ohren lauschen dem Brutzeln des Dampfes auf den heißen Steinen und sie bemerkt, wie Hitze immer mehr ihren Körper einnimmt. Sie genießt ihre Augen geschlossen zu halten, um nur zu erahnen, wer unter ihr auf der Holzbank sitzt und wie diese Person ihren göttlichen Körper mustert.

 

Für einen kurzen Augenblick stockt Susanna der Atem, als eine Hand auf ihrem Knie ruht und langsam nach oben wandert, um sich den Weg zwischen ihre Schenkel zu bahnen. Die Finger sind dabei ganz sanft und feucht, genauso feucht wie ihr schweißgebadeter Körper, der sich mit der Süße ihrer Erektion vermischt. Dann gleitet ein Finger langsam in sie hinein und sie öffnet ihre Lippen. Die andere Hand spreizt weit ihr Schenkel und sie lässt sie ganz schwerelos auf das Holz der finnischen Sauna ausgleiten. Dann umspielt ein weiterer Finger ihren Anus und ein Daumen drückt auf ihre Klitoris. Gekonnt und mit kreisenden Bewegungen wird ihre Klitoris massiert, während zwei weitere Finger heftig in sie hineinstoßen. Der Finger, der sich in ihrem Po befindet, ist dabei ganz behutsam und schiebt sich vorsichtig nach vorn und zurück. Susanna ist überwältigt von diesem Zusammenspiel aus kleinen zarten und gleichzeitig gezielt heftigen Berührungen um ihr Geschlecht, sodass sie vor Erregung beginnt, unbewusst zu zucken und in einem Hohlkreuz erstarrt. Drei Finger in ihrer Vagina, ein Finger in ihrem Po und einer auf ihrer Klitoris. Sie kann die Hitze und die Vielfalt der Stimulation nicht weiter ertragen und fällt laut aufstöhnend in sich zusammen. Sie hat ihren Höhepunkt auf das Handtuch gespritzt, eine kleine Pfütze hat sich um ihr Gesäß gebildet. Susanna ist heftig gekommen, sie hat alles um sich herum vergessen. Erschöpft nimmt sie die Augenbinde herunter und blickt in zufriedene Augen. Sie hat sich schon lange nicht mehr so gehen lassen und sich dabei so wunderbar gefühlt.