Harte Schale, weicher Kern

 

In dieser Geschichte geht es nicht um Sex und ich hoffe euch damit nicht zu enttäuschen, aber ich erzähle von meiner Perspektive bei meinen Ohlala Dates, auch wenn man meinen mag, dass es da nur um wilde Sexabenteuer geht. So komisch das vielleicht klingt, aber ich habe sehr viele Romantiker getroffen. Diejenigen, die dafür zahlen, gehört oder endlich wieder ein wenig berührt zu werden. Es gibt immer mehrere Seiten. Heute erzähle ich von dieser.

 

 

 

Letzte Woche traf ich mich mit Johannes für einen Kaffee in Kreuzberg. Johannes ist so ein vergangenes Abenteuer, den ich nun ab und zu sehe ganz ohne sexuellen Hintergrund. Was mich an dieser Geschichte besonders glücklich macht ist, dass es tatsächlich immer wieder passiert, das man über Ohlala jemanden trifft, den man spannend findet und die Begegnung, ausgelöst durch ein bezahltes Date, auf einmal eine andere Richtung einnimmt. Komischerweise habe ich das bei anderen Dating Plattformen so noch nicht erlebt, bei Ohlala schon mehrmals.

Als ich Johannes im Profil entdeckte, war ich direkt angetan, und zwar einfach durch seine optische Erscheinung. Er war komplett tätowiert von Kopf bis Fuß sozusagen. Es gab keine Nacktbilder, aber ich konnte erahnen, dass dieses Kunstwerk sich über den ganzen Körper zog. Ein wahrer Charaktertyp, der mich neugierig gemacht hat. Wir trafen uns für unser erstes Date damals auch in Kreuzberg, im »Fuchsbau«. Johannes hatte viel zu erzählen, das verriet mir der Ausdruck in seinen Augen und so war es dann auch. Er war zu diesem Zeitpunkt sehr verletzt durch eine vergangene Beziehung, die er nicht loslassen konnte und ich war erst mal eher skeptisch, ob dies der richtige Weg war, um weiterzugehen. Also sich gezielt Sexdates zu suchen, obwohl man mit dem Gedanken immer noch bei dieser einen Liebe ist. Von Anfang an spürte ich eine gewisse Tiefe in unseren Gesprächen, da war jemand der alles reflektiert und das Leben genauer analysiert. Ich mag solche Menschen und bin immer froh, wenn man ihnen wieder begegnet, denn leider gibt es davon nicht viele.

Bei unserem ersten Aufeinandertreffen war ich Seelentröster und versuchte Johannes mit meinen eigenen Erfahrungen und positiven Gedanken zu helfen. Nichts passiert ohne Grund, so meine Devise. Jede Erfahrung muss genauso einmal erlebt werden, so sehr sie auch schmerzen mag. Man wächst an einzelnen Niederlagen und entdeckt ganz neue Seiten an sich selbst. Solange man immer optimistisch bleibt und den Kopf nicht verliert, ist auch diese Reise eine wunderbare, wertvolle. Aber in solchen Momenten sieht man das natürlich nicht. Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, dass er alles richtig macht. Er teilt seine sensiblen Gedanken mit mir, obwohl wir uns überhaupt nicht kennen. Man könnte sagen, er macht sich verwundbar und bricht ein Stück seiner dicken Mauer, um gehört zu werden.

Ich wünschte, alle Menschen wären so. Die meisten laufen davon, wenn es ernst wird. Sie wurden verletzt und haben Schwierigkeiten sich erneut zu öffnen gegenüber einer anderen Person, eigentlich ein leeres Blatt, ein Neubeginn. Ein altes Kapitel findet ein Ende, eine neue Seite öffnet sich.

 

Johannes faszinierte mich wirklich, weil ich seit langem Mal wieder jemanden entdeckt habe, der total offen über seine Gefühle sprach. Er war sehr empfindsam. Johannes trank keinen Alkohol und rauchte auch keine Zigaretten. Er entsagte sich dem Ganzen, weil er diese Dinge in seiner Vergangenheit einfach zu exzessiv konsumierte. Für ihn war es aber auch kein Problem, das ich beides mit Genuss verzehrte. Wenn ich über Johannes spreche, spreche ich über einen Mann, der in seinem Leben schon viel durchgemacht hat. Ein starker Mann mit einem sehr weichen Kern. Jemand, dem man im Auge behalten sollte. Ich bewundere seine Art, diesen Dingen, wie Alkohol oder anderen Substanzen, die kalte Schulter zu zeigen. Für ihn keine Option meinte er, sonst wäre er heute nicht mehr hier. Dennoch fand ich es enorm stark, der Enthaltsamkeit treu zu bleiben. Er fand seine Erfüllung durch Glauben. Gar nicht so einfach in einer Stadt wie Berlin, in denen einem »verdrogte Leute« ständig über den Weg laufen. Ich persönlich bin ja kein Freund von chemischen Drogen und kann mit Personen in diesem Zustand nur schwer umgehen, aber so lebt jeder in seinem eigenen Universum.

Nachdem wir im »Fuchsbau« viel über das Leben, seinen Verlust von Liebe und den Menschen im Allgemeinen philosophiert hatten, beschlossen wir doch noch zu ihm zu gehen. Ich weiß noch, dass ich dachte: Eigentlich ist alles perfekt so, wie es ist, dennoch gingen wir weiter. Ich wusste nur zu gut, wie es sich anfühlt, wenn man mit dem Gedanken bei jemand ganz anderes ist. Die Person, die dann vor einem steht, wäre nur ein schwacher Ersatz. Ich wollte das nicht sein, aber ich dachte, vielleicht hilft es ihm auch, um weiter voranzukommen.

Johannes sagte zu mir: »Die Morgen sind am schlimmsten!« Wenn er aufwacht mit der Erkenntnis, allein zu sein. Ich fand das interessant, weil ich mich immer vor dem Schlafengehen allein fühlte. Wenn es dunkel wurde und man alles noch mal reflektierte, das waren die schlimmsten Augenblicke für mich, in einer Phase des »Unglücklich Verliebtsein«.

In dieser Geschichte geht es nicht um Sex, auch wenn wir miteinander schliefen, aber das irgendwie überhaupt nix zur Sache tut. Diese Geschichte handelt von wahren Emotionen, den unausgesprochenen Gefühlen, die uns alle so unnahbar machen. Den traurigen Wahrheiten von Frauen und Männern, die nicht mehr unbeschwert Neu sein können.

Ich merke manchmal selbst, dass ich durch meine Offenheit an Grenzen stoße und damit nicht bei jedem gut ankomme. Die Begegnung mit Johannes hat mir das Gegenteil bewiesen. Ich fühlte mich bestätigt, denn die Menschen, auf die es ankommt, die werden genau das immer anerkennen. Dankbarkeit überkam mich nach diesem einen Abend, der mich Johannes „zufälligerweise“ näher brachte.