Sexarbeit – Fragen an unsere Gesellschaft

 

 

 

Anlässlich des internationalen Hurentags, der am 2. Juni stattgefunden hat, widme ich mich heute dem Thema Sexarbeit und lausche den Stimmen, die immer noch mit Diskriminierung zu kämpfen haben und sich einen respektvollen Umgang wünschen. Denn Sexarbeit ist Arbeit! Seit 43 Jahren wird dieser Tag gefeiert. Ausgangspunkt des internationalen Hurentags als Gedenktag war übrigens der 2. Juni 1975, an dem mehr als 100 Prostituierte eine Kirche in Lyon besetzten, um auf ihre Situation mit teilweise ausbeuterischen Lebens- und Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Seitdem wird dieser Gedenktag jährlich am 2. Juni zelebriert.

Was hat sich seitdem verändert, wie offen ist unsere Gesellschaft für dieses Thema wirklich? Laut Statistik macht die Internet-Pornografie einen täglichen Umsatz von 12,6 Millionen Euro. Mit 12,4 Prozent am weltweiten Traffic führen die Deutschen beim »Pornogucken«. Wie kann es sein, das die Vielzahl an Usern, die mit Lust Pornos konsumieren, dennoch eine Abneigung gegen die echten Darsteller entwickeln und ihre Arbeit als nicht vollwertig anerkennen? Warum verstecken sich Escorts immer noch hinter falschen Namen und wann verstehen wir endlich, dass Sexarbeiter Unglaubliches leisten, dabei oft sogar ein Stück von sich selbst aufgeben, um ihren Kunden den bestmöglichen Service zu bieten? Es ist höchste Zeit, Sexarbeitern die Ehre zu erweisen, die sie tatsächlich verdienen und endlich das Hurenstigma zu brechen.

 

Sexarbeit ist Arbeit – Respekt!

Egal, unter welchen Bedingungen Sexarbeiter tätig sind, ob als Pornodarsteller, Dominas, als Escorts in einer Agentur, als Prostituierte im Edelbordell oder bei einem Zuhälter: Sie alle wären besser dran, wenn der Sexarbeit nicht so ein großes Stigma anhaften würde. Denn Fakt ist: Viele Sexarbeiter haben kein Problem mit ihrer Tätigkeit, ganz im Gegenteil, sie haben sogar Spaß daran. Das große Problem ist der Umgang in unserer Gesellschaft. Die Menschen hinter diesen Berufen müssen immer noch ein Geheimnis daraus machen, wo sie arbeiten. Dabei geht laut Statistik die Hälfte aller Männer in Deutschland einmal im Monat in den Puff, 88% der Männer waren schon einmal in ihrem Leben dort. Das fand eine Umfrage der Frauenzeitschrift Brigitte heraus. Eine Heuchelei, die keinen Sinn ergibt. Das Sexarbeit als verwerflich behandelt wird, zeigt wie verklemmt unsere Gesellschaft im Umgang mit Sex immer noch ist. Escorts und Prostituierte leisten nicht nur körperliche, sondern auch emotionale Arbeit, oft gleicht diese Beschäftigung der Tätigkeit eines Therapeuten. Es geht darum zuzuhören, sich auf die Bedürfnisse des Gegenübers komplett einzustellen, zu lächeln, wenn es erwünscht ist, auch wenn man sich vielleicht nicht danach fühlt, die Sehnsüchte zu erkennen und diese 100% zu erfüllen. Kein leichtes Unterfangen, eine Dienstleistung: Man stellt seinen Körper, seine Zeit und seine Aufmerksamkeit zur Verfügung und bekommt dafür Geld.

 

Prostitutionsschutzgesetz und Auswirkungen 

Auszug vom Hydra e.V.:

Zum 1. Juli 2017 tritt mit dem sogenannten »Prostituiertenschutzgesetz« (ProstSchG) ein neues Gesetz in Kraft, das allen sexuellen und erotischen Dienstleister*innen vorschreibt, sich bei den jeweils zuständigen Behörden persönlich zu registrieren. Um welche Behörden es sich im Einzelnen handelt, ist im Gesetz nicht festgelegt und bleibt den jeweiligen Bundesländern überlassen. In Frage kommen beispielsweise Polizeiabschnitte, die Meldeämter oder die Gewerbeämter.

Die Registrierung muss unter dem Klarnamen erfolgen. Darüber hinaus sind zwei Fotos erforderlich, sowie die Angabe der aktuellen Meldeadresse, des Geburtsdatums und Geburtsortes, und der Staatsangehörigkeit. Außerdem werden Sexarbeiter*innen verpflichtet, sich einer Gesundheitsberatung zu unterziehen. Nach bis zu fünf Werktagen wird daraufhin ein Lichtbildausweis erstellt, der bei der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit stets mit sich getragen und alle zwei Jahre neu beantragt werden muss. Die verpflichtende Gesundheitsberatung muss jedes Jahr wiederholt werden. Sollten einer Behörde Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person sexuelle oder erotische Dienste ohne die notwendige Anmeldung ausübt, kann sie ein Bußgeld von bis zu 1.000 Euro verhängen.

Es ist bemerkenswert, dass ein Gesetz, das vorgibt, den in der Sexarbeit Tätigen Schutz zu gewährleisten, gleich mehrere ihrer Grundrechte erheblich untergräbt. So beschränken die Anmeldepflicht und die Möglichkeiten, Anordnungen gegenüber Sexarbeiter*innen zu erlassen, das Recht auf freie Berufswahl, und die weitreichenden Überwachungsmöglichkeiten, die das ProstSchG den Behörden gegenüber Sexarbeiter*innen einräumt, verletzen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Besonders schwer wiegt die Speicherung persönlicher Daten in Verbindung mit Informationen zum Sexualleben einer Person, denn sie verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Richtlinie des Europäischen Parlaments zum »Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten«. In Anbetracht der Tatsache, dass ein absolut sicherer Datenschutz unmöglich gewährleistet werden kann, ist die zukünftige Datenerhebung damit höchst problematisch. Obwohl dem ProstSchG als Leitbild für die Regulierungen Personen dienen, die Opfer von Menschenhandel und kommerzieller sexueller Ausbeutung geworden sind, spricht das Gesetz weder Sexarbeiter*innen noch Betroffenen von Menschenhandel und kommerzieller sexueller Ausbeutung Rechte oder Ansprüche zu. Stattdessen beinhaltet es diverse Pflichten und Einschränkungen für sie und räumt Behörden umfangreiche Kontrollmöglichkeiten ein. 

 

Das ProstSchG ist in seiner verabschiedeten Form durchgängig inakzeptabel.
Es kriminalisiert Sexarbeiter*innen und stellt einen starken Einschnitt in ihre Grundrechte dar. Die Entstigmatisierung der Sexarbeit ist eine besonders wichtige, menschenrechtliche Forderung, der das Gesetz nicht einmal ansatzweise gerecht wird.

HYDRA e.V. setzt sich seit 1980 für die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeiter*innen mit anderen Erwerbstätigen ein. Der Verein engagiert sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Prostituierten und kämpft gegen ihre Diskriminierung und gesellschaftliche Stigmatisierung.

 

 

Schluss mit der Stigmatisierung / Open up

Wenn wir über freiwillige Sexarbeit reden, ob als Pornodarsteller, Dominas, Escorts oder Prostituierte müssen wir an dieser Stelle festhalten, dass diese Menschen keine Opfer sind und in den meisten Fällen ihren Job mit Gefallen nachgehen, sie definieren sich gern als »Sexworker« und wünschen sich von der Gesellschaft einfach nur respektiert zu werden, als normale Dienstleister, so wie jeder andere auch, nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir Sexarbeitern denselben Respekt gegenüber bringen würden, wie all den anderen Dienstleistern, dann und nur dann bewegen wir uns in einer Kultur der Solidarität.

Denn wollen wir ernsthaft in einer Gesellschaft leben, die Sexarbeiter*innen zu Objekten degradiert und ihnen nicht die gleiche Unterstützung gewährt, die anderen Gesellschaftsgruppen zusteht?