Untreu – im Zeichen der Liebe

 

»Louise, glaubst du eigentlich an Liebe?«, »Louise?«

Ich dachte, das ist ein Traum, aber dann merke ich, dass ich kurz eingeschlafen bin und mir jemand diese Frage permanent ins Ohr säuselt. Ich muss mich besinnen. Wo bin ich? Und warum bin ich eingeschlafen? Langsam komm ich zu mir. Ich bin bei Tom, irgendwo in Spandau und hatte zu viel Whiskey. Normalerweise trinke ich überhaupt keinen Whiskey, aber in dieser Zeit war ich von einer Serie namens »Californication« total besessen, sodass ich mich für diesen Abend in die Rolle des sexbesessenen, durchaus attraktiven »Hank Moody« begeben wollte. Tom hatte einen »Irischen« zur Hand und ich hatte wohl ein paar Gläser zu viel. Jetzt erst mal wach werden und diese Frage aus dem Kopf bekommen. Ich versuche mich aufzurichten. Tom hatte mich bis zum Kopf zugedeckt und legte seinen Arm liebevoll um meine Schulter. Er war bereit mit mir die Nacht zu verbringen, das habe ich in diesem Moment gespürt.

Ich musste mich aus dieser Situation losreißen, ich übernachte niemals bei einem Date und generell bin ich davon kein großer Fan. Also zieh ich mich hastig an und suche meine Sachen zusammen. »Willst du gehen?«, fragte Tom. »Ja, kannst du mich fahren?«, fügte ich hinzu. Schließlich waren wir hier am Ende von Berlin, eine extreme Entfernung, die ich normalerweise nicht für eine Verabredung in Betracht ziehe, aber Tom war sehr hartnäckig in unserem Chat und er hat mich von sich überzeugt.

Missmutig zieht er seine Jeans an und greift nach dem zerknitterten Hemd auf dem Sessel. Er schnappt sich die Autoschlüssel vom Schreibtisch, auf dem noch die Überreste von halb leeren Gläsern und Tabak liegen. Wir verlassen die Wohnung.

 

 

 

Nun, aber zum Anfang dieser Geschichte.

Tom war einer von den Männern, mit denen ein Chat direkt zum Erfolg führt und man gar nicht viel machen muss. Er wollte unbedingt ein Date an diesem Abend und war sogar bereit den Weg von Spandau nach Friedrichshain in Kauf zu nehmen, mich mit dem Auto abzuholen und wieder nach Hause zu bringen. Im Chat verriet er, dass er eine Freundin hat mit der Hoffnung, dass dies kein Problem für mich darstelle. Ich verneinte. Er meinte, er habe auch eine Überraschung für mich und das es sicherlich ein Date werden würde, was ich so bisher noch nicht erlebt habe, er sollte recht behalten.

Ich nahm die Bahn und wir trafen uns auf einen Drink am Kudamm. Er war mir sofort sympathisch. Groß, Mitte 30, gutaussehend und sehr beschäftigt, wie die meisten Ohlala User. Er erzählte mir von seiner Freundin, und wie sich sein Gefühl von Zuneigung nie ändern würde, er aber dennoch gewisse Sehnsüchte verspürt. Sehnsüchte, die er nicht ausleben kann. Sie sind den Weg der Freundschaft gegangen, nach einer Beziehungslänge von fünf Jahren. Sexualität spielt noch eine Rolle, aber nicht in dem Rahmen, wie sie es gewohnt waren. Also suchte er nach kleinen Abenteuern, die zu einer gewissen Erfüllung führen sollten. Tom wünschte sich eine Verabredung, wo er mit der Auserwählten zuvor in ein Kaufhauscenter geht, um Dessous zu kaufen. Nun unser Date war sehr spontan und ehrlich gesagt wollte ich auch nicht Dessous shoppen, schon gar nicht in einem riesigen Einkaufscenter wie das »Alexa«. Solche Orte vermeide ich so gut es geht. Also blieb das aus. Des Weiteren berichtete er mir von der Fantasie und dem Kennenlernen einer zweiten Frau in diesem Shoppingcenter. Eine Frau, die man dafür begeistern kann, mit uns gemeinsam Dessous zu kaufen. Ich war wieder froh, dass mir dieser Part erspart blieb.

Nachdem wir ausgetrunken hatten, machten wir uns mit seinem Auto auf dem Weg nach Spandau. Er lebte dort in so einem typischen Reihenhaus, allerdings nur berufsbedingt, denn eigentlich lebt er sonst in Rostock zusammen mit seiner Freundin. Diese Wohnung stellte ihm die Firma zur Verfügung. Zuerst saßen wir auf dem Balkon und ich trank bereits mein zweites Glas »Tullamore«. Es war ein bitterer Geschmack an diesem wunderbaren Sommerabend. Ich hörte seit langem mal wieder Vögel zwitschern und lauschte fröhlich der Natur.

 

Tom setzte sich neben mich und übrigens trank er den ganzen Abend nicht einen Tropfen Alkohol. Er nahm meine Hand wie in einer Schnulzenromanze und ich dachte jetzt kommts: In der Regel bedeutet so was nie etwas Gutes; eine Ansage, eine Offenbarung, eine Überraschung? Tom blickte mir tief in die Augen »Du, ich hab dir doch von meiner Freundin erzählt und der kleinen Überraschung.« »Ja…«, erwiderte ich zögerlich aber doch sehr bestimmend, weil ich nun endlich wissen wollte, worum es hier eigentlich geht, mit dem Bewusstsein weit abgeschlagen von meinem heimischen Kiez zu sein.

Er forderte mich auf mitzukommen. Wir gingen wieder in sein Wohnzimmer, das sehr minimalistisch eingerichtet war. Dort gab es nur einen Schreibtisch, eine Art Schlafcouch, die schon bezogen war sowie einen englischen Sessel, den ich sehr mochte. Ich sah zu der Schlafcouch und spürte bereits den Whiskey in meinem Blut. Ich war gut drauf und hatte Lust mit Tom körperlicher zu werden. Er ging in einen anderen Raum und kam mit einem trapezförmigen Polster zurück. Dieses Gebilde sah aus wie ein großer Sattel aus festem Schaumstoff. Ich sah ihn, ich sah dieses Polster und meinte »Ok, und was passiert jetzt?« Ich erinnere mich, das mich die ganze Geschichte, die Heimlichtuerei bis zum Letzten und seine kindliche Art damit umzugehen dennoch anzogen, gleichzeitig fand ich es belustigend, aber in guter Hinsicht. Es gibt nichts Besseres als Männer, die sich selbst nicht so ernst nehmen, Männer, die mich zum Lachen bringen.

Tom warf euphorisch das Polster auf die Schlafcouch und bezog es mit einer sehr kuschligen Decke, es fühlte sich wie Microfaser an. »Das ist meine Erfindung!« präsentierte er stolz und mit einem Gesichtsausdruck, der es in sich hatte. Es wurde ernst, ich spürte es, aber ich wusste immer noch nicht, worum es eigentlich ging. Tom erklärte mir, dass er seit Jahren an diesem Gedanken feilte, ein Abenteuer zu erleben, ohne seine Freundin zu betrügen. Denn für ihn begann Fremdgehen erst mit direktem Geschlechtsverkehr, dem tatsächlichen Akt. Dieses Polster war seine Innovation. 

Der Clou an dieser speziellen Matratze war, dass er beim Liebesspiel nicht in mich eindringen würde, sondern nur die Reibung zwischen mir und der Decke zu spüren bekommt, bis zur Ekstase. Für ihn war das der Höhepunkt und er kam auch mehrmals. Tom war sich sicher mit dieser Erfindung seine Freundin nicht zu verletzen. Es würde dabei bleiben: Er ist ein treuer Mann, denn Sex findet ausschließlich zwischen den beiden statt. Das Fundament dieser Liebe war unerschütterlich. Tom hatte etwas erschaffen, was den Seitensprung in seiner traditionellen Form umgeht und so konnte er mit gutem Gewissen seiner Freundin Tag für Tag in die Augen schauen.

Ich lag nur mit einem BH gekleidet in Doggy Style auf diesem kuschligen Polster und ließ mich reiten, ohne ihn in mir zu spüren. Ich spürte die heftigen Bewegungen, seine Hände um meine Hüften, vor allem aber spürte ich den Whiskey, der sich immer mehr in meinem Körper ausbreitete und ich wusste, das war zu viel.

Filmriss, alles dunkel, ein sanftes Rütteln an meinem Arm!

»Louise, glaubst du eigentlich an Liebe?«