Ankommen

 

Ich reise so gern und denke mit einem aufrichtigen Schmunzeln zurück an mein Date in Istanbul. Ilyas lernte ich zuvor in Berlin kennen. Nachdem wir eine superentspannte Zeit verbracht haben und den Kontakt aufrechterhielten, hat mich Ilyas nach Istanbul eingeladen. Er wollte mir seine Stadt zeigen. Im Sommer letzten Jahres, als die politische Lage etwas angespannt war, flog ich dennoch zu ihm und war beeindruckt von dieser wundervollen Stadt, die vor allem durch ihre Farben, traditionelle Köstlichkeiten sowie einer Vielfalt an Straßenkatzen in meinem Gedächtnis blieb.

 

Zweimal habe ich bisher einen Trip ins Ausland zu einem Dating Partner gewagt, mit gutem Gewissen mich dabei in fremde Hände zu geben und dabei gleichzeitig auf ein Stück meiner wertvollen Unabhängigkeit zu verzichten. Beide Reisen waren es Wert diese Unabhängigkeit aufzugeben, um in die Welt anderer Kulturen einzutauchen. In Istanbul angekommen, wartete Ilyas bereits am Flughafen. Er war der perfekte Gentleman und freute sich mit mir ein verlängertes Wochenende zu verbringen. Bei diesem Date ging es vordergründig nicht nur um Sex, sondern um den Austausch gegenwärtiger Lebensinhalte. Bereits nach unserem ersten Treffen blieben wir ständig via Mail in Kontakt. Ich verstand ihn, trotz seiner Beziehungslage. Er war verheiratet mit Kind und vielen Verpflichtungen. Als internationaler Businessmann war er ständig in Bewegung und sich seiner Verantwortung als Vater bewusst. Die Sehnsucht sich mit einer anderen Frau zu treffen und mit ihr ein schönes Wochenende zu verbringen, befreite ihn für einen kleinen Augenblick aus dieser täglichen, scheinbar überwältigten Verantwortung.

In dieser Zeit und auch zuvor stellte ich mir viele Fragen bezüglich eines funktionierenden, dauerhaften Beziehungskonzeptes. Ich selbst weiß nur zu gut, was es heißt nach einer gewissen Weile in einer Beziehung wieder Lust auf einen anderen, neuen Sexpartner zu bekommen. Es ist das übliche Stagnieren im Alltagstrott, zusammengewürfelt aus Kompromissen, einem gemeinsam erschaffenen Lebensraum, der nach einer bestimmten Dauer immer zum Aufbrechen schreit. 

Fremdgehen oder die Beziehung aufgeben, wofür entscheidest du dich? Reden, zusammen einen Weg finden, unausgesprochene Fantasien zukünftig zu teilen, wäre doch eigentlich eine ideale Lösung, sollte man meinen. Wäre da nicht der schmutzige Trieb eines jeden, der sich meist nur schwer mit dem Partner vereinbaren lässt. Dies war zumindest immer die Antwort, die ich bekommen habe, bei denjenigen, die sich ganz klar fürs Fremdgehen entschieden haben. So fällt es Mann z.B. nicht wirklich leicht seine düsteren Sehnsüchte mit der Frau an seiner Seite auszuleben, die im Zusammenspiel mit Kind und traditionellen Werten einfach nicht in dieses Konzept passt. Ich glaube, dass es tatsächlich in den meisten Beziehungen so abläuft und nur wenige offen über ihre wahren sexuellen Vorlieben sprechen.

In meinem Fall und Ilyas ging es allerdings gar nicht um besonders aufregende sexuelle Neigungen, die erfüllt werden wollten oder solche, die man nicht mit dem Partner teilen könnte, sondern eher um das Entschleunigen. Sich wieder leicht und frei fühlen, ohne der Schwere als Verantwortung, dem ständigen Gedanken machen, bevor man endlich beruhigt die Augen zumachen kann, jede Nacht, wenn man im Bett liegt und grübelt, was die Zukunft bringt. Ilyas hat mich gewählt, weil er sich mit mir wieder frei fühlte, unkompliziert, entspannt.

Ich bin selbst mit meinen Vorstellungen immer noch nicht da, immer noch nicht angekommen. Nach fünf Jahren Single sein, hat man sich gemütlich eingerichtet, Kompromisse fallen schwer, vor allem wenn man nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen. Für mich gibt es nur 100%, wenn ich mich verliebe, dann richtig. Ich will es fühlen, an jemanden denken, an jemanden, der mich perfekt ergänzt. Allein sein fällt mir nicht schwer, wenn das gewisse Etwas nicht vorhanden ist, gehe ich auch keine Beziehung ein. Aber ich merke auch, wie mich all die Begegnungen, all meine Dates, all die aufregenden Sexabenteuer, sagen wir, besinnlich stimmen. Mittlerweile bin ich wieder bereit für etwas Besonderes, einen Partner, einen Mann, der zu mir gehört, mit dem ich zusammen reisen kann.

 

Das Wochenende mit Ilyas in Istanbul war fantastisch. Wir hatten eine tolle Zeit, tiefsinnige Gespräche, gekrönt mit zärtlichem Sex. Er hat mich nicht im Stich gelassen und ich weiß, dass er ein guter Familienvater ist, ein guter Ehemann. Manchmal braucht es keine Worte, um zu verstehen, was in dem Anderen vorgeht. Manchmal reicht es einfach nebeneinanderzuliegen, dem Alltag für einen Moment zu entkommen, sich eine zweite Welt zu erschaffen, sei es als Fantasie oder Realität. Ich verurteile keine Fremdgeher oder die, die nicht offen über ihre Gefühle sprechen können. So geht jeder seinen ganz eigenen Weg und findet Erfüllung auf die ein oder andere Weise. Ilyas würde nie seine Frau verlassen, er liebt seine Familie über alles, als ich ihn fragte, was wäre, wenn seine Frau genau dieselben Ambitionen verspüren würde wie er, war seine Antwort: »Das möchte ich mir lieber nicht vorstellen.«