Er-innerung

 

 

 

Er fühlte sich gefangen. Seit einigen Monaten überkamen ihn immer wieder heftige Bauchschmerzen begleitet von Resignation und Paralyse. So sehr er sich wünschte, seine Frau zu befriedigen, er konnte es nicht mehr. Sein Körper streikte und auch sein Geist verwehrte jegliche Gedanken von Intimität. Für ihn war es ein bekannter, dennoch furchtbarer Zustand, der ihn des Öfteren aus der Vergangenheit besuchte. Er wusste sich nicht besser zu helfen, als seine Beziehungen nach Verfallsdatum zu beenden, um Neue zu beginnen. Fünf Jahre waren sein Maximum, dennoch wagte er mit Laura den Schritt, vor den Altar zu treten, und hoffte auf etwas Beständigkeit. Doch Routine vergiftete den Alltag und Fantasien erloschen im gemeinsamen Trauerbett.

Wenn er liebte, dann leidenschaftlich. Wenn er liebte, dann wollte er mehr als heiße Küsse zum Sonnenuntergang austauschen, er wollte mehr, als seine Zunge tief in das Geschlecht seiner Frau zu graben. Für ein paar Jahre konnte er diese Leidenschaft aufrecht erhalten. Wenn er Laura nur beobachtete, übermannte ihn stets das Verlangen sie bei lebendigem Leibe aufzufressen. Er biss in ihr Fleisch, er saugte ihr Blut und würgte ihren zarten Hals, bis ihr die Tränen aus den Augen schossen. Laura öffnete ihre Arme ohnmächtig. Das war ihr Beweis für Lebendigkeit, wenn Wunden ein paar Wochen ihre Haut schmückten. Wenn ihre Knie schmerzten und ihre Schenkel weich wurden. Sie mochte das Gefühl benutzt zu werden und danach ausgelaugt von den Überbleibseln zu zehren. Manchmal war sich Laura nicht sicher, ob ihr Mann sie liebte oder ob er sie eigentlich verabscheute. Da war eine Veränderung in seinem Blick, wenn er ihren Körper in Ekstase betrachtete, wenn er seine Finger mit Spucke benetzte und in ihren Anus schob. Fast abwertend und dennoch voller Wollust verformten sich dann seine Augenbrauen zu einem zornigen Ausdruck. Als würde das Dämonische in seiner gefährlichsten Form wie im Blutrausch über Laura einstürzen.

 

Mehr als sieben Jahre sind vergangen, als er Laura das Ja-Wort in der kleinen Dorfkirche gab und sie sich vor der Familie buchstäblich entblößten. Er leckte ihr quer übers Gesicht sobald der Pfarrer die befreienden Worte: »Sie dürfen die Braut jetzt küssen.«, aussprach. Laura hingegen packte seinen Schwanz und genoss die pure Erregung ihres frisch vermählten Gatten. Jeder konnte es sehen, es war, als würde sie ihren Schleier lüften, dabei blickten schockierte Gesichter auf einen Speer nackter Haut, der wie die Kerzen auf dem heiligen Altar zu den Göttern sprach. Ein entsetztes Raunen ging durch die Menge und sein Vater verließ sogleich die Kirchengemeinde und kehrte nie wieder zurück. Der Pfarrer beendete die Segnung und verwies das Paar nach draußen.

 

Sieben Jahre, dachte er, während er versuchte, die Leere zwischen den Zeilen mit solch provokanten Erinnerungen zu füllen und Laura dabei beobachtete, wie sie sich vor dem Bett für den bevorstehenden Tag wappnete. Sie presste ihre Brüste zusammen und schob ihr Kleid nach oben, um zu demonstrieren, das alles ihm gehöre und das sie noch immer dieselbe sei, doch er resignierte und wandte sich von ihr ab. Er drehte sich auf die Seite und blickte aus dem Fenster. Stets ignorierte er ihre Sehnsucht berührt zu werden und Laura verließ seufzend das gemeinsame Schlafzimmer. Dann massierte er mit kreisenden Bewegungen seinen schmerzenden Bauch und versank in Tagträume zurück an den Ort, an dem er sich zum ersten Mal anders fühlte.

 

Als er 15 Jahre alt war, besuchte seine Klasse die Jugendherberge am Werbeliner See. Der Platz der Herberge erinnerte an ein großes Schlachtfeld von Hunderten pubertierenden Teenagern, die den Sommer in vollen Zügen mit anderen Schulkameraden aus unterschiedlichsten Ländern genießen wollten. Sie kamen hier zusammen, Jahr für Jahr. Der Speisesaal mit seinen Mitarbeitern servierte stets dieselben Mahlzeiten nur die Gesichter vor ihren Augen veränderten sich. Er war schon immer etwas Besonderes. Seine Gestalt glich die eines Tänzers, er war größer als die anderen Jungs in seinem Alter und es begleitete ihn eine geschmeidige Eleganz in all seinen Bewegungen. Er war beliebt bei den Mädchen sowie bei den Jungen. Jeder wollte sich mit ihm schmücken und jeder versuchte seine Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Es war schier unmöglich allen gerecht zu werden und speziell zu dieser Zeit, im Sommer 1990, als die Tore sich der Welt öffneten, wurde ihm noch klarer, dass dies sein Leben bestimmen würde. Mädchen kicherten, wenn sie an ihm vorbeiliefen und neigten ihre Köpfe verschämt zu Boden. Jungs haderten mit ihrem eigenen Selbstbewusstsein und fanden zugleich die Herausforderung mit ihm mitzuhalten. Die Aura, die ihn umgab, veränderten die Menschen und somit auch ihn. Egal was er sagte, es kam gut an, egal was er tat, es war niemals falsch und das führte dazu, dass seine Ausstrahlung im späteren Verlauf seines Lebens überheblich, ja fast größenwahnsinnig wirkte. Er konnte sich nehmen, was er wollte, ohne dabei seinen Kopf zu verlieren.

 

An diesem speziellen Tag am Ufer der Herberge, an dem er ein wenig Ruhe suchte, gesellte sich Andrew zu ihm. Ein Junge aus Irland, der mit einem gebrochenen Deutsch probierte seine Sätze zu beenden. Und in der Tat, sie hatten eine Wellenlänge, die einer Sprache nie gerecht werden könnte. Sie verstanden sich unausgesprochen und als er gerade an seiner Kippe zog und melancholisch auf den See blickte, berührte Andrew sein Gesicht, drehte es zu ihm und schaute lüstern, wie der Rauch langsam aus seinem Mund kroch. Er ließ die Kippe ins Wasser fallen und legte sich zurück auf den Steg. Beide lagen auf dem Steg zum Ufer am Werbeliner See und blickten in den Himmel, an denen die Wolken unbedeutend an ihnen vorbeizogen. Dann schloss er seine Augen und spürte, wie Andrew anfing ihn zu streicheln. Er ließ es zu. Es waren die ersten Berührungen eines anderen Mannes, die ihn erschütterten und zugleich einer Welt näherbrachten, die ihm gefiel.

 

Sein Schwanz drückte sich wie ein Speer gegen die Textur seiner Jeans. Er öffnete den Hosenschlitz, um ihn zu befreien und noch mehr Berührungen von Andrew zu empfangen. Er mochte das Geräusch, wie Andrew seine Finger mit Spucke benetzte, um damit seinen Schwanz zu massieren. Mit diesen wunderschönen langen Fingern veränderte er den Rhythmus und den Druck. Dann küsste er seine feuchte Eichel mit solcher Hingabe, dass er nicht anders konnte, als seine Augen wieder zu öffnen und Andrew dabei zuzusehen. Er blickte auf den See und die Blätter der Bäume, die sich am Horizont weich von einer Seite zur anderen bewegten. Er blickte auf Andrews roten Lockenschopf und hagere Arme, die mit Sommersprossen übersät waren. Er blickte auf seine eigenen Hände, wie er den Schopf sanft streichelte und wie sein Schwanz in Andrews gierigem Mund verschwand. Andrew veränderte das Tempo und kreiste mit seiner Zunge fast animalisch um sein pochendes Glied. Nebenbei stimulierte er seine Hoden mit gekonnten Fingerfertigkeiten und schob dann den Daumen tief zwischen seine Beine bis zu seinem Po. Er schaute ihn dabei lächelnd an, während sein Mund in der Sonne glänzte von Speichel und jungfräulichem Ejakulat. Mit einem heftigen Stoß drückte Andrew den Daumen in seinen Anus, und der Samen schoss aus seiner Eichel und übergoss sich über Andrews schmunzelndem Gesicht.

Er erwachte schweißgebadet aus seinen Tagträumen und drückte mit einem Kissen auf seinen nackten Speer, als wolle er ihn ersticken. Er dachte an Andrew und war sich sicher, dass diese Begegnung, wie all die anderen ein Verfallsdatum erreicht hätte, wenn er nur mehr Zeit gehabt hätte.